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DIE JAHRE 1507 UND 1508

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Dem Bestand von 1508 sind noch zwei Holzschnitte anzufügen. Das > Stephanus-Martyrium<175
(Abb. 116) ist vielleicht zusammen mit der > Paulus-Bekehrung< (Abb. 117) und der >Sebastians-Marter<
(Abb. 118) noch einmal als Dreier-Gruppe innerhalb der großen Andachtsblätterserie zu sehen, die mit
1508 schließt. Auch hier die neue summarische Technik mit breiterer Konturierung und mehr malerischer
Lichtbehandlung, auch hier die anekdotische Schilderung. Der Typus des Stephanus, breitköpfig und
schwer, und das Genremotiv des Knaben, der sich in das grausame Tun der Schergen mengt176, stimmen
dazu. Die Komposition mit der zweifigurigen Überhöhung in der Mittelachse erinnert an den Dreikönigs-
altar, doch schwingt die Bewegung schon in lebendigen Kurven.

Der letzte Holzschnitt aus dieser Phase, der >Eulenspiegel< (Abb. S. 77), geht im Stil anscheinend
über alle drei Blätter ein wenig hinaus. Durch die Weinblatt-Signatur rechts ist Baidungs Erfindung ge-
sichert, doch handelt es sich vermutlich, wie C. Koch und der Karlsruher Katalog annehmen, um einen
vergröbernden Nachschnitt für die Buchausgabe von 1515, nach einem Originalholzschnitt von 1508/09177.

Das Pferd wie die Hügelkulisse erinnern an das Pariser Reitergemälde. Bei dem Eulenspiegel fügt sich
der närrisch befranste Rock mit dem aufgebauschten Brustteil zu den schon bekannten Zügen. Auch die
Baumkulisse links weist eindeutig auf Baidung.

Dieses Blatt spricht, als in Straßburg erschienene Buchillustration, für Entstehung auf Straßburger
Boden, nach der Rückkehr im Herbst oder Winter 1508/09: zu Ostern erwirbt Baidung dort schon das
Bürgerrecht. Der >Eulenspiegel<, das letzte Zeugnis aus seiner burlesken Phase, markiert zugleich den Be-
ginn seiner Straßburger Tätigkeit.

Ein Blick noch auf Baidungs Schaffen 1509/10.

Nur der nicht signierte >Jüngling< im Buckingham Palace178 trägt das Datum 1509. Es ist das erste
Bildnis seit der frühen Baseler Selbstbildniszeichnung und das erste gemalte Porträt. Gegenständlich keine
Vergleichsmöglichkeit bietend, läßt es doch im Seefischen Akzente erkennen, die mit Schlagworten wie
burlesk oder anekdotisch keinesfalls mehr zu verbinden sind.

Unter den Zeichnungen ist die Coburger Vier paß scheib en-Visierung für einen Sattler (K 73) - mit
Monogramm, ohne Datum - am engsten mit den Pferdedarstellungen des Paulus-Holzschnittes, des Pari-
ser Reiterpaares und des Eulenspiegel verknüpft. Auch das Motiv der Bergkuppe über dem Pferdehaupt
kehrt bei dem Scheibenriß zweimal verwandt wieder, und die Art des Erzählens kommt in ihren genre-
haften Zügen den Arbeiten von 1508 gewiß nahe. Doch sind wesentliche Unterschiede nicht zu verkennen.
Der Raum spricht stärker mit, die Formen sind kleinteiliger und auffällig ist vor allem die Umkehrung
der Pferde und damit der Hauptbewegung in den Runden: anstelle der Aktion von links nach rechts, wie
sie alle Arbeiten von 1508 - >Paulus<, >Sebastian<, >Eulenspiegel<, Joachim-Anna-Scheibe, Stich mit dem
>bärtigen Altem - und übrigens auch die Holzschnitte von 1506/07 bezeichnen, tritt nun die Bewegung
von rechts nach links.

Damit ist anscheinend ein Charakteristikum für die Werke um 1509 gewonnen. Denn dieselbe Ten-
denz von rechts nach links bestimmt nicht nur das Porträt in London, sondern auch das kleine Wiener
Gemälde mit >Schönheit und Tod<179 (Abb. 20) und zwei mit ihm eng verwandte Zeichnungen,
mit > Geburt< und >Epiphanie< (Frankfurt und Louvre)180, die um 1509/10 datierbar sind. Die beiden
Zeichnungen stehen in direktem Zusammenhang mit dem 1510 datierten Altar, von dem die >Epipha-
nie< (Dessau) und die >Geburt< (Basel) erhalten blieben181.
 
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