malt. Auf ihre Bilder setzt sie die Farben
schlicht und ordentlich, einen Ton neben
den andern und es entsteht eine Melodie,
die man zuerst hinnimmt wie ein alt-
bekanntes Kinderlied. Ich summte es mit
und es erinnerte mich an Bilderbogen
— an den Duft gebratener Aepfel und an
die Kinderzeit. Eines Tages aber wußte
ich, daß diese Melodie mich erregte und
daß es kein Kinderlied war, das ich da
sang. Denn aus diesen scheinbarglatten,
harmlosen Bildnissen spricht eine scharfe
Erfassung des Wesentlichen, die — einen
Schritt weiter — zur Karrikatur würde. Es
ist wie ein Wissen um die kleinen Lächer-
lichkeiten geliebter Menschen, Lächer-
lichkeiten, die man kennt und nicht an
ihrem Wesen missen möchte. Nur eine
Frau kann diese Liebe zum Kleinen am
Großen verstehen und nur eine Frau kann
Bilder solcher Art malen und ist damit
denn auch besonders befähigt ein Frauen-
antlitz zu erfassen mit seiner Zwiespältig-
keit von Schein und Wahrheit.
Das Geheimnis, das die Maler unserer
Großmütter wußten, ist in dem heißen
Ringender Malerei nach Wahrheit verloren
Martel Schwichtenberg Ernst Barlach gegangen. Das Geheimnis ist nicht so
schwer zu erraten, doch wird es von den
Frauen sorgfältig gehütet aus Furcht in den Ruf zu kommen unmodern und
kleinlich zu sein oder nichts von Kunst und Künstlern zuverstehen.
Es ist so alt wie die Welt, international und nicht an Jugend oder Alter gebunden
— hier habt ihr es —: „In jeder Frau lebt der Wunsch im Bilde reizvoller zu er-
scheinen, als die Wirklichkeit es erlaubt‘. Die Malweise der strengen Wahr-
heitsfanatiker bekommt uns Frauen nur in ganz seltenen Fällen, wir zittern um
unser bischen „Schein“ und wollen über uns gar nicht so genau Bescheid. wissen.
Martel weiß um dieses Geheimnis — sie ist selbst Frau, sie mischt zu ihren
Farben noch ein wenig Nachsicht und Einsicht, macht sich darüber im Bilde
iustig und deckt es wieder zu.
So entsteht ein Frauenportrait — sprechend ähnlich, witzig und doch voll von
dem Charme, über den das Modell verfügt, wenn es ausgeschlafen ist, wenn es
ein gutesKleid anhat und sich des abends bei günstigem Lichtangeregt unterhält.
Malt Martel aber Männer, dann läßt sie ihrer Laune freien Lauf, setzt jedoch
dazu eine ernste Miene auf, hinter der der Schalk lauert.
188
schlicht und ordentlich, einen Ton neben
den andern und es entsteht eine Melodie,
die man zuerst hinnimmt wie ein alt-
bekanntes Kinderlied. Ich summte es mit
und es erinnerte mich an Bilderbogen
— an den Duft gebratener Aepfel und an
die Kinderzeit. Eines Tages aber wußte
ich, daß diese Melodie mich erregte und
daß es kein Kinderlied war, das ich da
sang. Denn aus diesen scheinbarglatten,
harmlosen Bildnissen spricht eine scharfe
Erfassung des Wesentlichen, die — einen
Schritt weiter — zur Karrikatur würde. Es
ist wie ein Wissen um die kleinen Lächer-
lichkeiten geliebter Menschen, Lächer-
lichkeiten, die man kennt und nicht an
ihrem Wesen missen möchte. Nur eine
Frau kann diese Liebe zum Kleinen am
Großen verstehen und nur eine Frau kann
Bilder solcher Art malen und ist damit
denn auch besonders befähigt ein Frauen-
antlitz zu erfassen mit seiner Zwiespältig-
keit von Schein und Wahrheit.
Das Geheimnis, das die Maler unserer
Großmütter wußten, ist in dem heißen
Ringender Malerei nach Wahrheit verloren
Martel Schwichtenberg Ernst Barlach gegangen. Das Geheimnis ist nicht so
schwer zu erraten, doch wird es von den
Frauen sorgfältig gehütet aus Furcht in den Ruf zu kommen unmodern und
kleinlich zu sein oder nichts von Kunst und Künstlern zuverstehen.
Es ist so alt wie die Welt, international und nicht an Jugend oder Alter gebunden
— hier habt ihr es —: „In jeder Frau lebt der Wunsch im Bilde reizvoller zu er-
scheinen, als die Wirklichkeit es erlaubt‘. Die Malweise der strengen Wahr-
heitsfanatiker bekommt uns Frauen nur in ganz seltenen Fällen, wir zittern um
unser bischen „Schein“ und wollen über uns gar nicht so genau Bescheid. wissen.
Martel weiß um dieses Geheimnis — sie ist selbst Frau, sie mischt zu ihren
Farben noch ein wenig Nachsicht und Einsicht, macht sich darüber im Bilde
iustig und deckt es wieder zu.
So entsteht ein Frauenportrait — sprechend ähnlich, witzig und doch voll von
dem Charme, über den das Modell verfügt, wenn es ausgeschlafen ist, wenn es
ein gutesKleid anhat und sich des abends bei günstigem Lichtangeregt unterhält.
Malt Martel aber Männer, dann läßt sie ihrer Laune freien Lauf, setzt jedoch
dazu eine ernste Miene auf, hinter der der Schalk lauert.
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