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RAINER MARIA RILKE UND RENEE SINTENIS
VON ;

W. R. VALENTINER

Lieber Herr Flechtheim!

Da ich weiß, wie sehr Sie sich für die Kunst von Renee Sintenis
einsetzen, interessiert Sie vielleicht der beifolgende Brief Rilkes, der
von der Begeisterung des Dichters für diese Kunst zu einer Zeit,
als die Bildhauerin nur Wenigen bekannt war, zeugt. Ich fand die
mit Bleistift eilig geschriebenen Zeilen eines Tages —- es muß Ende
des Jahres 1917 gewesen sein — in meiner Wohnung „In den Zelten‘
vor, wo mich Rilke aufgesucht hatte, um mir Photographien von Werken
der Künstlerin zu zeigen: .

Mein verehrter Herr Doktor,

es war neulich eine sehr lebhafte Enttäuschung für mich, Sie nicht in
Wannsee zu finden. Sie wiederzusehen, wäre mir die fühlbarste Freude
und Fortsetzung gewesen. Außerdem war’s mein Wunsch, Ihnen die
beifolgend zurückgelassenen Photographien zu zeigen; erstaunliche, ja
vollkommene Arbeiten einer jungen Künstlerin, deren zwei Portraits von Weiß den Abbildungen der
Skulpturen beiliegen; die Maske, der schlafende Steinbock; was sagen Sie zu diesen Dingen?


Ich bringe morgen nachmittag noch einmal ein paar Menschen zu Renee Sintenis; wollen Sie nicht mit
uns kommen? Wolde ist von der Partie, Dr. Hardy und seine Schwester und vielleicht noch Fräulein
von Zimmermann; nachmittag um vier wollten wir hinfabren. Es würde Ihnen, glaub ich, Freude machen,
Werk und Künstlerin zu sehen, und mir wär’s das Herzlichste, Ihnen bei dieser Gelegenheit wieder
zu begegnen.

Falls Sie mit uns gehen, bäte ich Sie, mir die Photos dorthin mitzubringen, sonst hol’ ich die Bilder
morgen oder Sonnabend bei Ihnen ab.

Was ich vor allem hoffe, ist, daß der malaise, durch den Sie neulich zuhause festgehalten waren, ganz
überstanden ist.

Mit ergebenstem Gruß, — bedauernd, Sie
nicht angetroffen zu haben,

Ihr
R. M. Rilke

Aus irgend welchen Gründen, denen ich
mich nicht mehr entsinne, war ich ver-
hindert, an dem Ausflug nach Wannsee
teilzunehmen. Ich schrieb einige Worte
der Entschuldigung an Rilke und schlug
ihm vor, am nächsten Nachmittag in mein
Hotel zu kommen, um mit ihm die Photo-
graphien zu besehen. Für die große
Liebenswürdigkeit des Dichters spricht
die beifolgende, umgehend gesandte
Antwort:


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