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Ortloff, Hermann
Lüge, Fälschung, Betrug: theoretisch und practisch in drei Abtheilungen dargestellt (Band 1): Rationell und empirisch dargestellt — Jena, 1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.19997#0042
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26 Erste Abiheilung. Die rationellen Grundlagen.

Wahrheit. Von Thatsachen im Besondern sagt man. sie seien wahr
oder unwahr und nur seltener und mehr übertragen auch von einem Men-
schen, der der Wahrheit getreu ist, er sei wahr, wahrhaft, und im Ge-
gentheil, er sei unwahr, nicht wahrhaft. Sowohl für unwahr als auch
für unrichtig gebraucht die deutsche Sprache den Ausdruck falsch,
z. B. eine falsche Thatsaehe, ein falsches Ui tiieil, auch wohl ein falscher
Mensch: allein dieses Letztere birgt den Begriff des Arglistigen, Ver-
leumderischen und Heuchlerischen in sich und auch in dieser Bedeutung
gebraucht man den Ausdruck Falschheit. Wenn ferner die Nicht-
übereinstimmung der iiufseren Darstellung, Gestalt oder Form mit dem
darunter geborgenen Inhalt oder der Wirklichkeit des Sachverhältnisses
angedeutet werden soll, so redet man vom Schein und setzt diesen der
Wirklichkeit gegenüber: auch bezeichnet man dann wohl das Han-
deln, durch welches der Schein an die Stelle des Seienden oder der
Wirklichkeit, die Unwahrheit an die Stelle der Wahrheit, um als solche
zu gelten, gesetzt wird, als Falschheit: immer aber deutet dieser
Ausdruck das Subjective an. Ein derartiges Handeln, durch welches
der Schein an die Stelle der Wirklichkeit gesetzt wird, heifst Täu-
schung und, um den Gegensatz zu der Täuschung als Zustand oder zu
dem lrrlhum, welcher Zweck und Folge jener Handlung sein kann, an-
zudeuten, kann man jene die active, diese die passive Täuschung
nennen. Die active Täuschung ist eine Verletzung der Wahrheit, eine
Nichtbeachtung der Wahrheitsliebe, welche dem Menschen ebenso das
innere Gebot auferlegt, Wahrheit zu verbreiten, wie sie das Streben
enthält, dieselbe in sieb aufzunehmen, zu erkennen. Eine Täuschung
kann entweder auf positive oder auf negative Weise begangen werden.
Ersteres geschieht, wenn die wahren Merkmale eines Gegenstandes oder
Verhältnisses durch bestimmte Handlungen entstellt werden, Letzteres,
wenn die Wahrheit selbst vorenthalten oder unterdrückt wird. Die pas-
sive Täuschung wird überhaupt durch Thun oder Unterlassen bewirkt,
ihr Wesen besteht gerade darin, dafs die Form nicht mit dem wahren
Inhalt des Erkcnntml'sobjecles übereinstimmt, sondern dafs die Form das
Urtheil auf einen anderen ihr entsprechenden Inhalt hinweist; auch das
ist der nächste Zweck der activen Täuschung, dafs das Urtheil des zu
Täuschenden unter der Gestalt der Wahrheit nicht die objective Beschaf-
fenheit selbst, sondern die von dem Täuschenden zu seinen weiteren
Zwecken dargestellte Unwahrheit untergebreitet erhält. Für den Inhalt
giebt es auch immer eine speeifische Form, von der man rückwärts
auf die Homogenität des Inhalts zu schliefsen pflegt.

Die objective Wahrheit steht unabänderlich fest, sie wird aber zur
Unwahrheit lediglich durch Verstellung oder Aenderung ihrer speeifischen
 
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