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Ortloff, Hermann
Lüge, Fälschung, Betrug: theoretisch und practisch in drei Abtheilungen dargestellt (Band 1): Rationell und empirisch dargestellt — Jena, 1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.19997#0057
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§. 6. Die Pflicht zur Wahrhaftigkeit und das Recht auf Wahrheit. 41

eine besondere Gelegenheil zu Täuschungen bielen. Hier überall mufs
der Staatsschulz zu Hülfe kommen, nur ist derselbe nichl ein Schutz di-
rect gegen Verletzung der Wahrheit, sondern gegen Rechtsverletzungen
mittelst jener gerichtet; er wirkt gegen die Verletzung der Wahrheit
nur indirect mit. Die moralische Verwerflichkeit des zu Rechtsver-
letzungen gebrauchten Mittels der Täuschung kann sehr wohl für die
Qualification der Rechtsfolgen jener mitbestimmend werden, weil eben
die Intensität und Potenzirung von Wahrheitsverletzungen für den gan-
zen Rechtsverkehr sehr gefährlich werden kann. Der Staat hat also die
Aufgabe, auch im öffentlichen Interesse wenigstens indirect zur Erhal-
tung der moralischen Pflicht zur Wahrhaftigkeit mit zu wirken und eine
äufserste Glänze zu ziehen, damit nicht im Privatverkehr Lug und Trug
an die Stelle der Betätigung der Wahrheilsliebe trete und auf dafs der
Begriff der Wahrheit erhalten bleibe.
Das Resultat ist folgendes:

Ein allgem ei n es R ech t auf Wahrheit und Wahrhaftigkeit giebt
es nicht.

Aber aus der Bestimmung, die der Staat zu erfüllen hat, folgt das
4 Recht, zur Erreichung seiner Zwecke, im öffentlichen Interesse, na-
mentlich zur Verwirklichung der Gerechtigkeit, die Wahrheit verlangen,
deren Wahrung und Befolgung im öffentlichrechtlichen Verkehr
als eine allgemeine, erzwingbare Bürger- oder Unterthaneupflicht fordern
und die Mittel ihrer Erzwingung festsetzen zu dürfen.

Im Privatverkehr giebt es einen direct erzwingbaren Anspruch
auf Wahrheit nicht, sondern hier bleibt die Pflicht zur Wahrhaftigkeit
nur eine moralische. Das Recht hat eine äufserste Gränze nur indirect
zu setzen , indem es die Verwerflichkeit der Wabrheitsverlelzungen als
allgemein gefährlichen Mittels zu Rechtsverletzungen bei Bestimmung der
dafür festgestellten Rechtsfolgen mit berücksichtigen kann und soll.

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