Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
den Ritter in Soest verwiesen, der auch in der Größe mit den Lübecker
Statuetten übereinstimmt und völlig von der weltlichen, kecken Art ist
wie die Törichten Jungfrauen: in jedem Zuge ihr männliches Gegen-
stück. Die Soester Werke sind offenbar vor den Lübecker Arbeiten ent-
standen. Als die ältesten unter ihnen stellen sich die Statuetten am
Portal der Wiesenkirche dar. Sie bewahren den zartlinigen, unplasti-
schen Stil des 14. Jahrhunderts am getreuesten. Über ihre Quellen geben
die aus derselben Werkstatt hervorgegangenen großen Statuen am
gleichen Portal erwünschte Auskunft: der Stil des Burgkirchenmeisters
ist eine westfälisch-derbe Widerspiegelung des Stiles des Petersportals
am Kölner Dom und der Portalfiguren von der Überwasserkirche in
Münster. Die Figuren in St. Pauli und am meisten die Statuette in der
Wiesenkirche kommen der kräftigeren, voluminöseren Art der Lübecker
Statuetten sehr nahe. Sie werden kurz vor der Abwanderung des
Meisters von Soest entstanden sein.
Die Entwicklung, die von Soest nach Lübeck führt, erscheint durch
die Einwirkung des kolonialen Bertramstils beschleunigt, den der Künstler
bei seiner Berufung nach Lübeck kennengelernt haben mag. Unver-
kennbar, daß mindestens die mantellose Kluge Jungfrau ohne hambur-
gische Anregungen nicht zu denken ist.
Die Burgkirchenzyklen können demnach nur in eingeschränktem
Sinne lübeckisch genannt werden. Ihrem ganzen Wesen nach sind sie
westfälisch und letzten Endes sogar Abkömmlinge der großen rheini-
schen und französischen Bildhauerkunst. Es ist die historische Leistung
ihres Urhebers, die monumentale Steinskulptur des nordwestdeutschen
Hausteingebiets in den nordöstlichen Backsteinbezirk übertragen zu
haben. Freilich war es nur mehr ein Abglanz der alten Kathedralen-
kunst, der in Lübeck aufleuchtete. Aber dieser gedämpfte Strahl sollte
in der baltischen Sphäre Reflexe hervorrufen, in denen sich der blen-
dende Schimmer der ursprünglichen Lichtquelle wunderbar wieder-
herstellte.

II.

Die astronomische Uhr in der Marienkirche
und verwandte Arbeiten.
(Jugendwerke des Johannes Junge).
*T*"^er Chor der Burgkirche, dessen Innenraum so reich mit Skulpturen
) V geschmückt war, zeigte auch außen figürliche Dekoration. Seine
Schauseite enthielt in Terrakotta ornamentale Friese und dreißig Doppel-

12
 
Annotationen