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indem sie ihre Stelle verläßt, um zu »privatisieren«.
Wenn in irgend einem Gewerbe von Ausbeutung die Rede
sein kann, so ist es in dem Wirtsgewerbe. Hier scheint der
Grundsatz der rigorosesten Ausbeutung der Arbeitskraft zu herr-
schen. Regel ist also: lange Arbeitszeit und kurze Ruhe; gehören
doch Arbeitszeiten von 14 Stunden zu den mildesten und der
Durchschnitt beträgt 16—17 Stunden.

Zahl der
Kellne-
rinnen
Davon hatten Arbeitszeiten von Stunden:
12 und
weniger
mehr als
12—14
mehr als
14—16
mehr als
16—18
mehr als
18
abs.
rel.
abs.
rel.
abs.
rel.
abs.
rel.
abs.
rel.
abs.
rel.
Baden
318
100
I
o,3
19
6
165
5i,9
131
41,2
2
0,6
Bayern rechts d. Rh.
1195
100
30
2,5
107
8,9
639
53,5
412
34,5
7
0,6
Bayern links d. Rh.
83
IOO
I
1,2
8
9,6
50
60,2
24
29
Württemberg
361
100
5
1,4
40
11,1
227
63
89
24,5
Elsaß-Lothringen
357
IOO
6
i,7
54
I5,i
234
65,5
63
17,7

Es hat also Baden unter den vier süddeutschen Staaten den
zweifelhaften Ruhm, die längsten Arbeitszeiten zu besitzen.
Nun sind noch hierbei die zahllosen Ueberschreitungen nicht
in Rechnung gezogen, und außerdem muß man noch bedenken,
daß in dieser Arbeitszeit nicht eingerechnet ist die Zeit zum An-
und Ausziehen, nicht die Zeit des Weges von der Arbeitsstelle
zur Wohnung und zurück, wenn auch dieses letztere nur für
wenige Kellnerinnen in Betracht kommt, da die meisten in dem
Hause des Wirtes wohnen. In Baden haben also 93% aller Kell-
nerinnen eine Arbeitszeit von mehr als 14 bis zu 18 Stunden.
Es kommt noch dazu, daß in dumpfer, von Tabaksqualm und
Speisegerüchen durchsetzter Luft, in oft schlecht ventilierten Lo-
kalen gearbeitet wird. Morgens um 8 oder 9 Uhr beginnt das
Geschäft. Es sind dann zunächst die Stühle von den Tischen
herunter zu stellen, Tische und Stühle abzureiben oder abzu-
waschen, die Tische zu decken und andere kleine Zurüstungen,
wie neue Zeitungen einspannen, Streichholzbüchsen frisch füllen,
Speisekarten schreiben u. s. w. zu machen. Dann wird das Ge-
schirr geputzt, wenn es nicht schon am Abend vorher gereinigt
worden ist, und die ersten Vorrichtungen für das Mittagessen
werden getroffen. Unterdessen wird es 11 Uhr, und die ersten
Gäste kommen. Von nun an gibt es fortwährend zu tun. Um
1/2i Uhr beginnt sich dann langsam das Lokal zu füllen, die
Mittagsgäste kommen und mit ihnen eine der Perioden, in welcher
 
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