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noch, daß manche nicht darüber unterrichtet sind, daß ihnen der
Wirt einen freien Tag gewähren muß. Von anderen Wirten wird
überhaupt kein ganzer Tag gewährt, also oft nur ein Nachmittag,
d. h. gerade die Zeit, wo an und für sich wenig zu tun ist. Eine
ganz einfache Art, das Gesetz überhaupt zu umgehen, habe ich
in einer sehr bekannten Heidelberger Wirtschaft getroffen. Die
Kellnerinnen werden nämlich hier nicht als Kellnerinnen bei der
Polizei angemeldet, sondern als Zimmermädchen, sodaß also für
den Wirt kein gesetzlicher Zwang besteht, seinen Angestellten frei-
zugeben und es wird zugleich den Mädchen besonders einge-
schärft, sich ja nicht als Kellnerin zu bezeichnen, sondern immer
als Zimmermädchen. Ich glaube aber, wenn ein Zimmermädchen
den ganzen Nachmittag und Abend und eventuell noch morgens
in der Wirtschaft zur Bedienung der Gäste tätig ist, daß sie dann,
auch wenn sie als Zimmermädchen bezeichnet wird und vielleicht
auch nebenbei die Arbeit eines Zimmermädchens verrichtet, nicht
unter diese Rubrik gehört, sondern wie alle andern eine Kellnerin
ist; denn sie hat als Hauptberuf die Bedienung der Gäste in der
Wirtschaft. Es muß demnach, um eine derartige Umgehung un-
möglich zu machen, entweder der Begriff Kellnerin vom Gesetz-
geber genau festgelegt werden oder, was mehr zu empfehlen ist,
der freie Tag muß auch auf die andern Angestellten des Wirts-
gewerbes ausgedehnt werden.
Eine Ursache bringt viele Wirte dazu, Gegner des freien
Tages zu sein, nämlich die mit ihm verbundene freie Nacht. Ich
habe schon darauf hingewiesen, daß gerade sie zu Ausschwei-
fungen benützt wird. Hat aber eine Kellnerin die ganze Nacht
hindurch geschwärmt, so kann sie am nächsten Tag unmöglich
die Gäste mit der Aufmerksamkeit bedienen, die der Wirt ver-
langen muß. So kommt es nicht sehr selten vor, daß Kellnerinnen
gerade an dem Tage nach dem freien Tag vollständig abgespannt
und müde aussehen. Die Berechtigung dieser Einwände gegen
die freie Nacht wird auch von vielen Kellerinnen selbst zuge-
geben. So wünscht eine ältere Kellnerin die freie Nacht voll-
ständig abgeschafft und dafür zwei freie Nachmittage von 12 bis
10 Uhr oder von 12 bis 11 Uhr nachts eingeführt. Der freie
Tag in seiner jetzigen Ausdehnung sollte nur für verheiratete
Kellnerinnen bestehen bleiben, denn nur für diese sei er in Wahr-
heit eine Wohltat. Aus den zum Teil schon oben angeführten
Gründen möchten auch wir den freien Tag in zwei freie Nach-
 
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