[Kapitell] Fakten und Prozeßbeteiligte: Frühwerk und Bildkoordinaten
gehen, liegt an seinen von ihm selbst beschriebenen Schwierigkeiten beim
Mischen (»Alles wurde grün und braun [...] Da verzweifelte er tief.«), einer
Not, aus der er in den neunziger Jahren eine Tugend macht. Auch der
Farbauftrag selbst ist bei Strindberg viel gestischer im Gegensatz zur impres-
sionistischen »Kalkulation« mit Farbpunkten. Gemeinsam ist beiden nur die
Leuchtkraft der Farben (was eben auf ihrer Nicht-Gemischtheit beruht).
Vielfach haben Strindbergs eigene Äußerungen über den Impressionis-
mus die Forschung verwirrt. Usselmann macht in diesem Zusammenhang
auf den »Illogismus« aufmerksam, der darin besteht, daß wiederholt von
Strindbergs Haß auf die Impressionisten geredet, gleichzeitig jedoch der
Einfluß des Impressionismus auf sein (Euvre betont wird.113 In erster Linie
geht es dabei um den erwähnten Artikel über die Impressionistenausstellung
1876 bei Durand-Ruel. Auffällig ist zunächst die inhaltliche Ähnlichkeit zwi-
schen dem Betrachter-Dialog Strindbergs und demjenigen, den der französi-
sche Kritiker Leroy in der Zeitschrift Charivari mit dem Akademiemaler
Joseph Vincent vor Monets Boulevard des Capucines führt: »Das ist ja aller-
dings glänzend! Da haben wir also echte Impression oder ich will mich hän-
gen lassen! Aber können Sie mir sagen, was die vielen schwarzen Tupfen da
unten bedeuten?« — »Das sind Spaziergänger.« — »So sehe ich aus, wenn ich
spazierengehe? Was, zum Teufel, wollen Sie eigentlich? Mich verhöhnen?«114
Hier klingt »Strindbergs« Vorwurf wieder, das ganze sei doch ein Scherz. Dar-
aus läßt sich jedoch kein Haß auf den Impressionismus konstruieren.
Die Verwirrung der Forschung rührt im großen und ganzen daher, daß
Strindberg sich dort in seinem fiktiven Dialog nicht festzulegen scheint und
kein endgültiges »Urteil« fällt. Gerade das ist aber, wie gesehen, Strindbergs
Intention, wenn man angesichts seiner widersprüchlichen Vorlieben über-
haupt von einer Intention sprechen kann: Für den Befürworter einer naturori-
entierten schwedischen Kunst gab es einerseits Gründe, den Impressionismus
abzulehnen. Er empfand ihn als Modeströmung, welche die schwedischen
Künstler in Paris auf französisierende Abwege brachte, seine Farben waren
ihm zu blaß (»matt, blutlos«). Andererseits schätzte er durchaus eines der Zie-
le des Impressionismus, die Darstellung von und das Gefühl für Bewegung,
das er ja schon von Nordlings Seestücken her kannte: »kann man eine Bewe-
gung malen?« So verrät seine vermeintlich uneindeutige Analyse eine genaue
Beobachtung.115
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gehen, liegt an seinen von ihm selbst beschriebenen Schwierigkeiten beim
Mischen (»Alles wurde grün und braun [...] Da verzweifelte er tief.«), einer
Not, aus der er in den neunziger Jahren eine Tugend macht. Auch der
Farbauftrag selbst ist bei Strindberg viel gestischer im Gegensatz zur impres-
sionistischen »Kalkulation« mit Farbpunkten. Gemeinsam ist beiden nur die
Leuchtkraft der Farben (was eben auf ihrer Nicht-Gemischtheit beruht).
Vielfach haben Strindbergs eigene Äußerungen über den Impressionis-
mus die Forschung verwirrt. Usselmann macht in diesem Zusammenhang
auf den »Illogismus« aufmerksam, der darin besteht, daß wiederholt von
Strindbergs Haß auf die Impressionisten geredet, gleichzeitig jedoch der
Einfluß des Impressionismus auf sein (Euvre betont wird.113 In erster Linie
geht es dabei um den erwähnten Artikel über die Impressionistenausstellung
1876 bei Durand-Ruel. Auffällig ist zunächst die inhaltliche Ähnlichkeit zwi-
schen dem Betrachter-Dialog Strindbergs und demjenigen, den der französi-
sche Kritiker Leroy in der Zeitschrift Charivari mit dem Akademiemaler
Joseph Vincent vor Monets Boulevard des Capucines führt: »Das ist ja aller-
dings glänzend! Da haben wir also echte Impression oder ich will mich hän-
gen lassen! Aber können Sie mir sagen, was die vielen schwarzen Tupfen da
unten bedeuten?« — »Das sind Spaziergänger.« — »So sehe ich aus, wenn ich
spazierengehe? Was, zum Teufel, wollen Sie eigentlich? Mich verhöhnen?«114
Hier klingt »Strindbergs« Vorwurf wieder, das ganze sei doch ein Scherz. Dar-
aus läßt sich jedoch kein Haß auf den Impressionismus konstruieren.
Die Verwirrung der Forschung rührt im großen und ganzen daher, daß
Strindberg sich dort in seinem fiktiven Dialog nicht festzulegen scheint und
kein endgültiges »Urteil« fällt. Gerade das ist aber, wie gesehen, Strindbergs
Intention, wenn man angesichts seiner widersprüchlichen Vorlieben über-
haupt von einer Intention sprechen kann: Für den Befürworter einer naturori-
entierten schwedischen Kunst gab es einerseits Gründe, den Impressionismus
abzulehnen. Er empfand ihn als Modeströmung, welche die schwedischen
Künstler in Paris auf französisierende Abwege brachte, seine Farben waren
ihm zu blaß (»matt, blutlos«). Andererseits schätzte er durchaus eines der Zie-
le des Impressionismus, die Darstellung von und das Gefühl für Bewegung,
das er ja schon von Nordlings Seestücken her kannte: »kann man eine Bewe-
gung malen?« So verrät seine vermeintlich uneindeutige Analyse eine genaue
Beobachtung.115
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