1. Die Zeichnung als Träger agitatorischer Wahrheit: Strindberg und Carl Larsson
war kein Zweck, sondern ein Mittel.6 Wenn man einen Preis von 100.000
Francs ausschriebe für den, »der zufriedenstellend die Frage beantworten
könnte, >ob die Welt jetzt unglücklicher und schlechter wäre, wenn Raffael nie
gelebt hätte«, würde bestimmt niemand diese Frage mit ja beantworten.«7
Strindbergs damaliger Schlachtruf lautete: »O du elende Ästhetik - und ver-
dammte Kunst!«8
Philosophiegeschichtlich ist seine Kritik am Bild eine seiner zahlreichen
Fußnoten zu Platon.9 Auch Rousseau sucht er sich als Vorbild aus: Von sei-
nem alten Studienfreund Littmansson leiht er sich Ende 1883 Rousseaus er-
sten Diskurs aus, der die Schädlichkeit von Kunst und Wissenschaft für die
Menschen behandelt.10 Stark und aktuell beeinflußt ist er auch von den For-
derungen Georg Brandes', mit dessen Bruder Edvard er regelmäßig korres-
pondiert, nach einer politischen und antiromantischen Kunst und einem
agitatorisch-radikal verwertbaren Realismus.11 All dies trifft bei Strindberg
nun auf die Moralvorstellungen eines pietistisch erzogenen Zweiflers. So
begründet Strindberg - tief bewegt von Kierkegaard12 - moralisch, warum er
die Politik der Kunst vorziehe:
Ich halte dies für meine Pflicht! Die Beschäftigung mit dem Schönen ist ein Vergnügen,
[...] kann aber nicht das Lebensziel eines Menschen sein. [...] Es gab Zeiten, da ich die
Kunst für sündig hielt, aber das können >Gespenster< meiner Jugend sein, als ich Pietist
war.13
Die Kunst, insbesondere die bildende Kunst mit ihren exklusiven Unika-
ten für vermögende Privatsammler, wurde so zum moralischen Dilemma.14
7. Die Zeichnung als Träger agitato-
rischer Wahrheit: Strindberg und
Carl Larsson
Die Zeichnung zählt Strindberg jedoch nicht zur unnützen und unmorali-
schen Kunst. Sie genießt bei ihm vielmehr utilistisches Ansehen als Kommu-
nikationsmedium im Dienste der Agitation.15 Hier bediente er sich des Kön-
nens von Carl Larsson, der Strindbergs symbolisch durchtränkte Bildideen
und Kompositionen für Das schwedische Volk ins Reine zeichnete, das mehr
und mehr vom Geschichtsbuch zur Kritik an den herrschenden gesellschaftli-
27
war kein Zweck, sondern ein Mittel.6 Wenn man einen Preis von 100.000
Francs ausschriebe für den, »der zufriedenstellend die Frage beantworten
könnte, >ob die Welt jetzt unglücklicher und schlechter wäre, wenn Raffael nie
gelebt hätte«, würde bestimmt niemand diese Frage mit ja beantworten.«7
Strindbergs damaliger Schlachtruf lautete: »O du elende Ästhetik - und ver-
dammte Kunst!«8
Philosophiegeschichtlich ist seine Kritik am Bild eine seiner zahlreichen
Fußnoten zu Platon.9 Auch Rousseau sucht er sich als Vorbild aus: Von sei-
nem alten Studienfreund Littmansson leiht er sich Ende 1883 Rousseaus er-
sten Diskurs aus, der die Schädlichkeit von Kunst und Wissenschaft für die
Menschen behandelt.10 Stark und aktuell beeinflußt ist er auch von den For-
derungen Georg Brandes', mit dessen Bruder Edvard er regelmäßig korres-
pondiert, nach einer politischen und antiromantischen Kunst und einem
agitatorisch-radikal verwertbaren Realismus.11 All dies trifft bei Strindberg
nun auf die Moralvorstellungen eines pietistisch erzogenen Zweiflers. So
begründet Strindberg - tief bewegt von Kierkegaard12 - moralisch, warum er
die Politik der Kunst vorziehe:
Ich halte dies für meine Pflicht! Die Beschäftigung mit dem Schönen ist ein Vergnügen,
[...] kann aber nicht das Lebensziel eines Menschen sein. [...] Es gab Zeiten, da ich die
Kunst für sündig hielt, aber das können >Gespenster< meiner Jugend sein, als ich Pietist
war.13
Die Kunst, insbesondere die bildende Kunst mit ihren exklusiven Unika-
ten für vermögende Privatsammler, wurde so zum moralischen Dilemma.14
7. Die Zeichnung als Träger agitato-
rischer Wahrheit: Strindberg und
Carl Larsson
Die Zeichnung zählt Strindberg jedoch nicht zur unnützen und unmorali-
schen Kunst. Sie genießt bei ihm vielmehr utilistisches Ansehen als Kommu-
nikationsmedium im Dienste der Agitation.15 Hier bediente er sich des Kön-
nens von Carl Larsson, der Strindbergs symbolisch durchtränkte Bildideen
und Kompositionen für Das schwedische Volk ins Reine zeichnete, das mehr
und mehr vom Geschichtsbuch zur Kritik an den herrschenden gesellschaftli-
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