7. Chemie... ist Alchemie... ist Poesie
die Chemie auf. Aber er wollte nicht die Experimente machen, die im Lehr-
buch standen; er wollte Entdeckungen machen. Alle Mittel fehlten ihm, Geld,
Apparate, aber nichts durfte ihn hindern.« Er träumt davon, ein perpetuum
mobile zu erfinden. Seine Experimente mißlingen, und er zieht sich den Spott
seiner Familie zu. Aus Rache veranstaltet er einige Knallgasexplosionen.5 In
dieser Zeit hat er gelernt, einen Stoff an seinem Aussehen und Geruch oder
an einfachen chemischen Reaktionen zu erkennen. Daran hielt er zeitlebens
fest, indem er nicht einer technischen, möglicherweise verfälschenden Appa-
ratur, nicht »den groben Werkzeugen der Laboratorien-Chemie sondern [...]
den feinsten, am höchsten differenzierten und empfindlichen Instrumenten,
die Innervationsinstrumenten meines Gehirns« vertraut.6 Er kannte jedoch
nicht den Stand der Forschungsmethoden seiner Zeit und konnte außerdem
schon aus finanziellen Gründen nur unter primitivsten Bedingungen
arbeiten,7 was er jedoch auch als Pluspunkt verbuchte:
Messing riecht bei schlechtem Wetter wie Kupfer oder wie Salpetersäure oder alte
schwarze Hosen. Wenn man Wolle mit Salpetersäure und Schwefelsäure behandelt, bei
geringer Wärme trocknet und dann versengt, erhält man ein Netz aus Metall. Das muß
wohl die Kupfer- oder Messingsynthese sein! // Komisch, daß man mittels dieser Vulgari-
sierungen (schwarze Hosen und so etwas) scheinbar weiter in der Forschung kommt als
mit Atommassen und Ausfällungen.8
In Berlin begann er, in dieser Art sein transportables Labor für seine
Schwefelexperimente einzurichten. »Dann stand er den ganzen Tag, auch in
der schlimmsten Julihitze, über seinen Tiegeln, gewöhnlich nur in Nachthemd
und Pantoffeln gekleidet, einen Strick um dem Bauch und einen Strohhut auf
dem Kopf. Heiß wie in der Hölle hatte er es da oben, und es roch nach Pech
und Schwefel!«9 Er wollte nachweisen, daß Schwefel kein Element, sondern
ein zusammengesetzter Stoff, ein fossiles Harz sei:10
Die Sache ist nemlich die, dass ich unter diesen zwei Monaten meine Schwefelgeschich-
te so weit ausgegrübelt dass ich fertig bin den Schwefel zu zersetzen und Schwefel syn-
tetisch hervorrufen! Das ist unglaublich aber wahr. [...] Glaube nicht dass es eine Kater-
idee ist! Ich habe keinen Kater seit zwei Monate!11
Bengt Lidforss erinnert sich an die Ferkel-Zeit in Berlin: »Der Schwefel
war entlarvt, unwiederbringlich, als eine Verbindung von Kohle, Sauerstoff
und Wasserstoff; und weil er 32 wiegt, muß er aus einem [Teil] Kohle =12,
einem Sauerstoff =16 und vier Wasserstoff =4 bestehen. Der Schwefel ist also
CH4O! Stimmt, oder?«12 Wie die Pythagoreer glaubte Strindberg an die Zahl
35 Arthur Sjögren
August Strindberg als Alchemist
1906
77
die Chemie auf. Aber er wollte nicht die Experimente machen, die im Lehr-
buch standen; er wollte Entdeckungen machen. Alle Mittel fehlten ihm, Geld,
Apparate, aber nichts durfte ihn hindern.« Er träumt davon, ein perpetuum
mobile zu erfinden. Seine Experimente mißlingen, und er zieht sich den Spott
seiner Familie zu. Aus Rache veranstaltet er einige Knallgasexplosionen.5 In
dieser Zeit hat er gelernt, einen Stoff an seinem Aussehen und Geruch oder
an einfachen chemischen Reaktionen zu erkennen. Daran hielt er zeitlebens
fest, indem er nicht einer technischen, möglicherweise verfälschenden Appa-
ratur, nicht »den groben Werkzeugen der Laboratorien-Chemie sondern [...]
den feinsten, am höchsten differenzierten und empfindlichen Instrumenten,
die Innervationsinstrumenten meines Gehirns« vertraut.6 Er kannte jedoch
nicht den Stand der Forschungsmethoden seiner Zeit und konnte außerdem
schon aus finanziellen Gründen nur unter primitivsten Bedingungen
arbeiten,7 was er jedoch auch als Pluspunkt verbuchte:
Messing riecht bei schlechtem Wetter wie Kupfer oder wie Salpetersäure oder alte
schwarze Hosen. Wenn man Wolle mit Salpetersäure und Schwefelsäure behandelt, bei
geringer Wärme trocknet und dann versengt, erhält man ein Netz aus Metall. Das muß
wohl die Kupfer- oder Messingsynthese sein! // Komisch, daß man mittels dieser Vulgari-
sierungen (schwarze Hosen und so etwas) scheinbar weiter in der Forschung kommt als
mit Atommassen und Ausfällungen.8
In Berlin begann er, in dieser Art sein transportables Labor für seine
Schwefelexperimente einzurichten. »Dann stand er den ganzen Tag, auch in
der schlimmsten Julihitze, über seinen Tiegeln, gewöhnlich nur in Nachthemd
und Pantoffeln gekleidet, einen Strick um dem Bauch und einen Strohhut auf
dem Kopf. Heiß wie in der Hölle hatte er es da oben, und es roch nach Pech
und Schwefel!«9 Er wollte nachweisen, daß Schwefel kein Element, sondern
ein zusammengesetzter Stoff, ein fossiles Harz sei:10
Die Sache ist nemlich die, dass ich unter diesen zwei Monaten meine Schwefelgeschich-
te so weit ausgegrübelt dass ich fertig bin den Schwefel zu zersetzen und Schwefel syn-
tetisch hervorrufen! Das ist unglaublich aber wahr. [...] Glaube nicht dass es eine Kater-
idee ist! Ich habe keinen Kater seit zwei Monate!11
Bengt Lidforss erinnert sich an die Ferkel-Zeit in Berlin: »Der Schwefel
war entlarvt, unwiederbringlich, als eine Verbindung von Kohle, Sauerstoff
und Wasserstoff; und weil er 32 wiegt, muß er aus einem [Teil] Kohle =12,
einem Sauerstoff =16 und vier Wasserstoff =4 bestehen. Der Schwefel ist also
CH4O! Stimmt, oder?«12 Wie die Pythagoreer glaubte Strindberg an die Zahl
35 Arthur Sjögren
August Strindberg als Alchemist
1906
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