[Kapitel 8 ] Motive als Konstanten im Bildprozeß: Die Bilder von Dornach
Wenn man bewegliche Landschaften erfinden könnte!
— August Strindberg
Strindbergs Malerei zeigt Bilder von Grenzüberschreitungen und -auflösun-
gen. Auf formaler Ebene durch eine Eigenschaft, die oberflächlich als Skiz-
zenhaftigkeit begriffen werden kann und die durch das dahinterstehende
skogssnuvistische Konzept viel mehr ist, nämlich das Erreichen eines »Natura-
lismus« im strindbergschen Sinne jenseits aller Systeme. Doch nicht nur in
der Bildwirkung und ihrem Entstehungsprozeß sind diese Bilder >Natur<.
Auf der Motivebene sind sie es als Landschaftsbilder ebenfalls. Daß es sich
aber nicht um beliebige Landschaften handelt, sondern diesen ihrerseits eine
symbolische Aussage inhärent ist, soll nun gezeigt werden. Sie stellen sich
dabei als Konstanten in Strindbergs Bildprozeß dar, gewissermaßen eine Fest-
stellung seines esoterischen Grundrauschens. Dieses läßt sich anhand von vier
Motiven verfolgen: der Sturmnacht, der Insel, den Alpen und der Grotte.
7. Die Sturmncicht
45 August Strindberg
Golgatha
Dornach 1894
Farbabbildung Seite 228
Die Sturmbilder sind in dieser Arbeit wiederholt mit Strindbergs Alchemie
und der Verschmelzung der Elemente in Verbindung gebracht worden. In der
Nacht der Eifersucht trat bereits erstmalig der Aspekt der Trennung zwischen
esoterischer Bilddeutung und exoterischem Sujet auf, der im Zusammenhang
mit den »symbolistischen« Tendenzen der Ferkel-Avantgarde als ein Fall von
Literarizität bezeichnet wurde. Strindberg ist hier der Künstler, der das Inter-
pretationsheft in der Hand behält und das Bild als Eifersucht deutet. Gleich-
zeitig ist das Motiv der Sturmnacht als Bildgegenstand für eine skogssnuvisti-
sche Ästhetik so geeignet wie kaum ein anderes. »Kein [anderes Motiv] läßt
die gleiche Stimulanz zu freiem Schaffen, zu mauern, kratzen, manövrieren,
manipulieren, zu leben und in Farbe zu dichten, um danach das Resultat bei-
nahe wie die Flecken in einem Rorschach-Test zu betrachten und zu raten
anzufangen, was das Bild darstellt.«1 Hier macht Holm Gesichtspunkte, die
an Strindbergs Vorgehensweise dargestellt wurden, an einem seiner Motive
fest. Keine zufällige Entsprechung. Anders gefaßt: Weil Strindberg eifersüch-
tig ist, malt er eine Sturmnacht - seine »vage Vorstellung« aus dem Essay.
Weil die Sturmnacht ein »offenes Motiv« ist, kann er seine Eifersucht darin
wiedererkennen - seine esoterische Interpretation. Der »Hochsymbolismus«,
116
Wenn man bewegliche Landschaften erfinden könnte!
— August Strindberg
Strindbergs Malerei zeigt Bilder von Grenzüberschreitungen und -auflösun-
gen. Auf formaler Ebene durch eine Eigenschaft, die oberflächlich als Skiz-
zenhaftigkeit begriffen werden kann und die durch das dahinterstehende
skogssnuvistische Konzept viel mehr ist, nämlich das Erreichen eines »Natura-
lismus« im strindbergschen Sinne jenseits aller Systeme. Doch nicht nur in
der Bildwirkung und ihrem Entstehungsprozeß sind diese Bilder >Natur<.
Auf der Motivebene sind sie es als Landschaftsbilder ebenfalls. Daß es sich
aber nicht um beliebige Landschaften handelt, sondern diesen ihrerseits eine
symbolische Aussage inhärent ist, soll nun gezeigt werden. Sie stellen sich
dabei als Konstanten in Strindbergs Bildprozeß dar, gewissermaßen eine Fest-
stellung seines esoterischen Grundrauschens. Dieses läßt sich anhand von vier
Motiven verfolgen: der Sturmnacht, der Insel, den Alpen und der Grotte.
7. Die Sturmncicht
45 August Strindberg
Golgatha
Dornach 1894
Farbabbildung Seite 228
Die Sturmbilder sind in dieser Arbeit wiederholt mit Strindbergs Alchemie
und der Verschmelzung der Elemente in Verbindung gebracht worden. In der
Nacht der Eifersucht trat bereits erstmalig der Aspekt der Trennung zwischen
esoterischer Bilddeutung und exoterischem Sujet auf, der im Zusammenhang
mit den »symbolistischen« Tendenzen der Ferkel-Avantgarde als ein Fall von
Literarizität bezeichnet wurde. Strindberg ist hier der Künstler, der das Inter-
pretationsheft in der Hand behält und das Bild als Eifersucht deutet. Gleich-
zeitig ist das Motiv der Sturmnacht als Bildgegenstand für eine skogssnuvisti-
sche Ästhetik so geeignet wie kaum ein anderes. »Kein [anderes Motiv] läßt
die gleiche Stimulanz zu freiem Schaffen, zu mauern, kratzen, manövrieren,
manipulieren, zu leben und in Farbe zu dichten, um danach das Resultat bei-
nahe wie die Flecken in einem Rorschach-Test zu betrachten und zu raten
anzufangen, was das Bild darstellt.«1 Hier macht Holm Gesichtspunkte, die
an Strindbergs Vorgehensweise dargestellt wurden, an einem seiner Motive
fest. Keine zufällige Entsprechung. Anders gefaßt: Weil Strindberg eifersüch-
tig ist, malt er eine Sturmnacht - seine »vage Vorstellung« aus dem Essay.
Weil die Sturmnacht ein »offenes Motiv« ist, kann er seine Eifersucht darin
wiedererkennen - seine esoterische Interpretation. Der »Hochsymbolismus«,
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