[Kapitel 8] Motive als Konstanten im Bildprozeß: Die Bilder von Dörnach
^ Farbabbildung Seite 226
-> Farbabbildung Seite 223
Kymmendö hatte er relativ unbeschwerte Sommer seiner Jugend verbracht:
noch kein Krach mit der Ehefrau, nach seinem Das schwedische Volk bis auf
weiteres keine Geldprobleme, Freunde, mit denen er zusammenarbeitete
und Feste feierte - Die Hemsöer sind die in Schweden populär gewordene
Romanverarbeitung dieses Milieus. Das Leben nach den Kymmendö-
Sommern war in jedem Fall anstrengender geworden. Für Strindberg begann
seine Utilistenphase, in der er im nervenaufreibenden Kreuzfeuer der Öffent-
lichkeit stand. Vor dieser rein biographischen Folie zeichnet sich Kymmendö
tatsächlich als eine Insel der Seligen ab. Aber war es wirklich das Paradies?
Strindberg: »Ich glaubte das damals, aber es war vielleicht meine schöne Art
zu sehen.«2 Auf der grünenden Insel entdeckte er, daß die Welt eine Spiege-
lung des eigenen Inneren ist.3 Dies ist der erwähnte Amalgamierungsprozeß
zwischen innerem Ich und äußerer Landschaft, es ist die in der Autobiogra-
phie zum visionären Erlebnis verdichtete Erfahrung der Inselwelt der
Schären, die er im Bildgegenstand der grünenden Insel auf die Pappe spach-
telt. Außerdem symbolisiert die Insel in diesem Aspekt das gleiche wie im
Wunderland der Narziß-Teich. Die Entsprechung setzt sich auf formaler Ebe-
ne fort: Beide Gegenstände setzen sich aus Wasser und Pflanzen zusammen,
was eine verwandte Farbpalette zur Folge hat. Der »Spiegel des Ich< ist seit der
Autobiographie 1886 ein Leitmotiv für Strindberg. Die ihm eigene Egozentrik
setzt er dabei stets in universale Zusammenhänge. Im Okkulten Tagebuch
assoziiert er zwischen Kymmendö (»eine okkulte Erscheinung von übernatür-
licher Schönheit«) und einem platonischen System von Himmel und Erde,4
in dem ein weiteres Eiland eine tragende Rolle spielt: Böcklins Toteninsel.
2.2 Strindberg und Böcklins >Toteninsel<
Zelger macht auf die der Toteninsel eigene Zivilisationskritik aufmerksam, die
in ihrer Darstellung als Fluchtpunkt im >uncivilisierten Süden< Italiens als Ge-
gengewicht zum industrialisierten Norden liege.5 Diese Lesung der Toteninsel
läßt sich in strindbergschen Kategorien zuvorderst an dessen Utilistenphase
anknüpfen. Strindbergs eigene Interpretation der Toteninsel setzt jedoch
gänzlich andere Schwerpunkte, die sich letztlich auch in der grünenden Insel
wiederfinden. Es ist vorgebracht worden, die grünende Insel sei motivisch
eine Art Invertierung von Böcklins Toteninsel.6 Mit dem Verständnis der
grünenden Insel als Verkörperung für Strindbergs irdisches Paradies bieten
sich, an diese These anschließend, mehrere Möglichkeiten für die Rolle der
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Kymmendö hatte er relativ unbeschwerte Sommer seiner Jugend verbracht:
noch kein Krach mit der Ehefrau, nach seinem Das schwedische Volk bis auf
weiteres keine Geldprobleme, Freunde, mit denen er zusammenarbeitete
und Feste feierte - Die Hemsöer sind die in Schweden populär gewordene
Romanverarbeitung dieses Milieus. Das Leben nach den Kymmendö-
Sommern war in jedem Fall anstrengender geworden. Für Strindberg begann
seine Utilistenphase, in der er im nervenaufreibenden Kreuzfeuer der Öffent-
lichkeit stand. Vor dieser rein biographischen Folie zeichnet sich Kymmendö
tatsächlich als eine Insel der Seligen ab. Aber war es wirklich das Paradies?
Strindberg: »Ich glaubte das damals, aber es war vielleicht meine schöne Art
zu sehen.«2 Auf der grünenden Insel entdeckte er, daß die Welt eine Spiege-
lung des eigenen Inneren ist.3 Dies ist der erwähnte Amalgamierungsprozeß
zwischen innerem Ich und äußerer Landschaft, es ist die in der Autobiogra-
phie zum visionären Erlebnis verdichtete Erfahrung der Inselwelt der
Schären, die er im Bildgegenstand der grünenden Insel auf die Pappe spach-
telt. Außerdem symbolisiert die Insel in diesem Aspekt das gleiche wie im
Wunderland der Narziß-Teich. Die Entsprechung setzt sich auf formaler Ebe-
ne fort: Beide Gegenstände setzen sich aus Wasser und Pflanzen zusammen,
was eine verwandte Farbpalette zur Folge hat. Der »Spiegel des Ich< ist seit der
Autobiographie 1886 ein Leitmotiv für Strindberg. Die ihm eigene Egozentrik
setzt er dabei stets in universale Zusammenhänge. Im Okkulten Tagebuch
assoziiert er zwischen Kymmendö (»eine okkulte Erscheinung von übernatür-
licher Schönheit«) und einem platonischen System von Himmel und Erde,4
in dem ein weiteres Eiland eine tragende Rolle spielt: Böcklins Toteninsel.
2.2 Strindberg und Böcklins >Toteninsel<
Zelger macht auf die der Toteninsel eigene Zivilisationskritik aufmerksam, die
in ihrer Darstellung als Fluchtpunkt im >uncivilisierten Süden< Italiens als Ge-
gengewicht zum industrialisierten Norden liege.5 Diese Lesung der Toteninsel
läßt sich in strindbergschen Kategorien zuvorderst an dessen Utilistenphase
anknüpfen. Strindbergs eigene Interpretation der Toteninsel setzt jedoch
gänzlich andere Schwerpunkte, die sich letztlich auch in der grünenden Insel
wiederfinden. Es ist vorgebracht worden, die grünende Insel sei motivisch
eine Art Invertierung von Böcklins Toteninsel.6 Mit dem Verständnis der
grünenden Insel als Verkörperung für Strindbergs irdisches Paradies bieten
sich, an diese These anschließend, mehrere Möglichkeiten für die Rolle der
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