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Verein Historisches Museum der Pfalz [Editor]; Historischer Verein der Pfalz [Editor]
Pfälzisches Museum: Monatsschrift d. Historischen Vereins der Pfalz und des Vereins Historisches Museum der Pfalz — 4.1887

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Nr. 8 (1. August 1887)
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https://doi.org/10.11588/diglit.29789#0058
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- 58 -

Nie
Gründung der Mälzer-Kolonie Torzsn in Ungarn.
Mitgeteilt von vr. Leyser.
Fortsetzung.
^^^W.on diesem Tage an wurde außer manchem unschuldigem
auch Vieles über die ernste Zukunft gesprochen.
^Die Ältesten versammelten sich in Gruppen und hiel-
ten Beratungen. Der Thebel wurde auch stets beigerufen.
Denn er führte auch eine Karte von Polen und Ungarn mit
sich, so auch eine kurze Beschreibung dieser Länder, die hatte
ihm der Herr Pfarrer in der Heimat mitgegeben. Die Land-
karte breitete er dann immer aus und las manche Stellen aus
der Beschreibung vor, und sagte dann feine Meinung, die
hatte auch ihren richtigen Kopf und Fuß.
Es wurde besprochen, wohin sie sich nach der Ankunft in
Wien wenden sollen, ob zur Bömisch-galizifchen Landesregierung,
oder aber an die ungarische Hofkanzlei. Man faßte den Be-
schluß an beiden Stellen anzufragen und wo die besten Vorteile
ersichtlich, dorthin möge man sich entschließen.
Der fremde Herr im Kaputrocke folgte dem Thebel stets
wie der Schatten an den Fersen nach. Wo der Thebel hinging,
ging er ihm nach, bezeugte ihm alle Ehre, sprach recht Vieles
mit ihm und das zuvorkommend, mit süßen Mienen, in feier-
lichem Tone.
Bei Engelhardtszell hatte das Schiff die österreichische
Grenze erreicht, hier durften, alle Kolonisten samt ihren Mo-
bilien ungehindert und zollfrei in die österreichischen Staaten
einziehen. Nun näherte sich schon das Schiff der schönen ober-
österreichischen Stadt Krems. In der Nähe von Krems, da
lockte der fremde Herr im Kaputrocke den Thebel an die Seite.
Thebel, sprach er, ihr seid ein gescheidter und kluger
Mann. Bei euren dreißig Jahren klüger und erfahrener denn
Mancher mit seinen sechzig Jahren. Euch habe ich auch vor
allen Anderen zum Vertrauten mir auserlesen; denn so Man-
ches von großer Wichtigkeit habe ich euch mitzuteilen.
Vor Allem jedoch eine Frage: wißt ihr auch lieber Thebel,
wie es dort in dem Polen und Ungarlande aussieht, wo ihr
hinziehen wollet? Ich habe von dort Nachrichten die stammen
aus der besten Quelle. Thebel lasset euchs gesagt sein, das
sind dort lauter wilde Einöden, bewohnt von Wölfen, reißen-
den Tieren, Schlangen und Skorpionen. Die großen Sümpfe,
die in jener Gegend Vorkommen, verpesten Land und Leute, und
das übrige Land, das jetzt urbares Feld werden soll, ist nichts
denn eine verwahrloste Wüste.
Es thäte mir, aufrichtig gesagt, recht leid, wenn diese
guten Leute alle, die da mit euch ziehen armselig umkommen
würden.
Eure Besorgnisse, mein Herr scheinen etwas übertrieben zu
sein, antwortete der Thebel, denn der gute Kaiser Joseph würde
sicherlich seinen Namen nicht unter ein Patent setzen, das er-
dichtet und erlogen ist.
Das hat wieder seine Bewandtnis, mein lieber Thebel.
Die großen Herren übersehen nicht alles und unterschreiben oft,
was man ihnen vorlegt. Doch wie ihr glaubet, lieber Thebel.
Hör't jedoch zuvor meinen Antrag, den ich euch zur Gutachtung
unterbreite. Ich habe mächtige Verbündete in den österreichischen
Staaten. Ihr Wort wiegt gewichtig in der Waagschale, durch

ihre Befürwortung würde euch die Regierung einen Ansiedlungs-
platz zukommen lassen, der alle eure Erwartungen übertrifft,
wo ihr auf einen Schlag gesetzte Männer werdet, reich und an-
gesehen, daß euch die reichstenBauern eurer Heimat beneiden würden.
Wenn ihr, mein Herr, das vollbringt so wollen wir euch
auf das Erkenntlichste dankbar sein, antwortete Thebel.
Das zu vollbringen, mein Freund Thebel, verpflichte ich
mich mit meinem Worte und meiner Ehre. Laßt mich euch
führen, und follt ihr betrogen sein, so versetze ich meinen Kopf
zum Pfände. Zwar ist damit eine kleine Klausel verbunden,
doch die ist kaum nennenswert.
Daraus antwortete der Thebel, mein Herr, wenn euer
Antrag ehrlich und redlich gemeint ist, so stimme ich meiner-
seits mit Freuden zu. Jedoch zuvor die Bedingnisfe.
Daß ihr, mein lieber Thebel, der Einsichtsvollste unter
Allen seid, dessen war ich in vorhinein überzeugt. Ich sprach
in dieser Angelegenheit bereits mit etlichen unter den Männern.
Es fehlte mir jedoch bis zur Stunde noch der rechte Mann
der die Sache auch am rechten Ort anleite und vollbringe.
Diesen Mann habe ich, mein lieber Thebel, an euch gesunden.
Und Euer Verdienst soll dann auch königlich belohnt werden.
Ein Gut, größer denn zehn Rittergüter in eurer Heimat, soll
euer Erb und Eigen sein.
Mein Herr, ihr vergesset die Bedingnisse und ohne die,
kann ich ench nichts Bestimmtes zusagen. So sprach der Thebel.
Paperlapa, Bedingnisse! die sind nicht schwer zu erfüllen,
die kosten euch keinen Heller, nur jeder unter euch braucht „ja"
zu sagen, und die Sache ist abgemacht.
Wozu das „Ja" sagen?
Nun, wozu das mein Thebel? Man wird euch einfach
fragen: woll't ihr in den Schoß der alleinseligmachenden Kirche
einkehren? Und ihr sagt einfach „ja" und die ganze Sache hat
ein Ende.
So — so — sprach der Thebel, das läßt sich hören!
Hm, also deshalb ener „Scharwenzeln" und Süßthun? Thebels
Stimme wurde lauter und fester, so daß die Übrigen im
Schiffe aufmerksam wurden und horchten. Da habt ihr,
lieber Mann, leider den Unrechten an mir getroffen! Meint
ihr uns wie die Mäuse, mit Speck und Leckerbissen zu sangen?
Meint ihr, daß wir schlichte Landleute wie der Gimpel an den
Leim gehen? Meinet ihr, daß unter dem rauhen Bauernwamms
ein so schlechtes Herz stecke, wie unter eurem feinen Rocke?
Oder meint ihr, weil wir arme Auswanderer find, die nicht
haben, wohin ihr Haupt zu legen, daß wir da in der Not, wie
Ertrinkende nach dem Strohhalme, noch nach so was unsere
Hände ausstrecken. Mann, da seid ihr hart am Irrwege!
Und wenn ich arm bleibe mein lebenlang, arm wie eine
Kirchenmaus, und Tag und Nacht mit blutigen Fingern grabend
mein Brod mir verdienen müßte, so thü ichs gerne, ja recht
gerne. Jedoch meine Religion lassen, meinen Glauben verkaufen;
das Andenken meiner Väter, ihr theuerstes Vermüchtniß; den
Glauben für den unsere Väter Hab' und Gut, Leib und Blut
geopfert, mit den Füssen treten, aus dem Herzen reißen, in den
Staub zu treten, daß sich weinend die Väter im Grabe noch
einmal umwenden müssen! Hört, guter Mann, bevor ich das
thü, da soll mich lieber allsogleich ein Blitzstrahl vom Himmel
niederschmettern und man soll mich dann dort drüben am Ufer
an der Fahrstraße neben den Düngerhaufen einscharren, und
jeder der vorüber geht, soll, mit tausendfachen Fluche begleitet
 
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