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Verein Historisches Museum der Pfalz [Hrsg.]; Historischer Verein der Pfalz [Hrsg.]
Pfälzisches Museum: Monatsschrift d. Historischen Vereins der Pfalz und des Vereins Historisches Museum der Pfalz — 17.1900

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Nr. 6 (1. Juni 1900)
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bene Altpörtelturm als Wahrzeichen einer Abscheu erregenden Unthat vereinsamt
emporragten.
Der übermäßige Kcästeaufwand bei der Bergung des Hausrates und die Auf-
regung über das hereingebrochene Unglück warfen die sonst so rüstige Frau Rektorin
in Bellheim aufs Krankenlager; sechs Wochen lag sie schwer darnieder, bis endlich
ihre Genesung eintrat. In dieser trüben Zeit kam der Schwiegersohn des Rektors,
Registrator Fleischmann, der den Aufenthalt seiner Familie glücklich erkundet hatte,
nach langer, gefährlicher Wanderung durch das von hcrumstreifenden französischen
Truppenteilen beunruhigte Land in Bellheim an. Nun nahm er Weib und Kinder,
setzte mit ihnen trotz der französisch n Wachen zur Nachtzeit über den Rhein und er-
reichte glücklich sein Haus in Durlach. Der Rektor dagegen zog nach völliger Genesung
seiner Hausfrau mit ihr und dem Kinde samt dem besten Teil seiner Habe rhein-
aufwärts nach Straßburg, um dort den Strom zu überschreiten; aber der hierzu
erforderliche Paß wurde ihm von den französischen Behörden verweigert, sodaß auch
er sich zu dem gewagten Unternehmen entschließen mußte, heimlich über den Rhein
zu setzen. Straßburger Schiffleute schafften die Vertriebenen samt ihren Sachen für
Geld und gute Worte glücklich ans andere Ufer und bald erreichte der Rektor mit
seiner Familie ebenfalls die Stadt Durlach.
Aber auch Durlach wurde von den Franzosen bedroht und Rektor Hofmann
mußte sich zugleich mit vielen Einwohnern dieser Stadt auf die Flucht begeben, kaum
daß er sich in Sicherheit geglaubt hatte. Diesmal waren keine Fuhrwerke aufzu-
treiben und die Familie konnte darum außer dem Bargeld und den wenigen Kost-
barkeiten nichts mitnchmeu, als zwei Säcke mit Kleidung und Wäsche, sowie ein
Paar Kopfkissen als Nachtlager für die Kinder. Die Tochter des Rektors, Frau
Fleischmann, nahm ihr jüngstes Kind, nämlich das in Bellheim geborene, auf den
Arm, die Frau Rektorin trug das andere, und führte zugleich ihr eigenes sechsjähriges
Töchterchen an der Hand. Der Rektor selbst hing sich den gefüllten Zwerchsack über
die Schultern und verließ gottergeben das Haus seines Schwiegersohnes, den seine
Amtspflicht in Durlach festhiclt. Die Flucht von hier geschah nicht grundlos; denn
nur wenige Tage später hatten die Franzosen Durlach eingenommen und in Asche gelegt.
Als die flüchtende Familie die Mauern von Durlach noch nicht weit hinter
sich hatte, wurde sie schon von einem Trupp französischer Soldaten angehaltcn und
ausgeplündert; sogar einen Teil ihrer Oberkleider mußten die Ärmsten ablegen und
den Räubern überlassen. Nun wanderten die Flüchtlinge planlos weiter lind kamen
endlich in das Dorf Grünwettersbach im Württembcrgischen. Die Tochter des
Rektors, Frau Fleischmann, konnte von da nicht mehr weiter; schon unterwegs war
sie von der Anstrengung mehrmals ohnmächtig geworden. Zum Glück faud sich in
Wettersbach eine Bäuerin, die öfters nach Durlach gekommen war und von da mit der
Frau Registratorin bekannt war Bei dieser schlichten Frau, die selbst in kümmer-
lichen Verhältnissen lebte, aber doch den armen Vertriebenen ihre Hilfe anbot, blieb
Frau Fleischmann mit ihren zwei Kindern zurück, während der Rektor die Fußreise
mit Frau und Kind fortsetzte. Wohin er seine Schritte lenken sollte, wußte er selbst
noch nicht; er trachtete vor allem aus der Gegend fortzukommen, die von den Fran-
zosen bedroht war, um eine sichere Zuflucht für seine Lieben zu ermitteln. So erreichten
die Flüchtenden das Kloster Frauenalb im Schwarzwald. Sie trafen die Kloster-
frauen eben bei den Vorbereitungen zur Flucht, denn schon hatte man auch dort von
den Streifereien französischer Truppen, die allenthalben Dörfer und Gehöfte aus-
plünderten, vernommen. Trotzdem mußte sich die Familie entschließen, in Frauenalb
zu bleiben, denn nun waren auch die Kräfte der erst kurz zuvor von schwerer
Krankheit genesenen Frau Rektorin und nicht minder die des sechsjährigen Kindes
erschöpft Am folgenden Tag machte sich darnm der Rektor allein auf den Weg,
um in dem fünf Stunden entfernten Städtchen Gernsbach, wo seine zweite Tochter
verheiratet war, einen Wagen zu holen. Aber es blieb leider erfolglos. Tags zuvor waren
 
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