Private Öffentlichkeit
Küchlers Porträtradierungen vereint eine Tatsache: Es handelt sich um Bildnisse
einer Auswahl derjenigen nordeuropäischen Künstler, die zeit ihres Lebens in Rom
geblieben sind, schließt aber diejenigen Künstler aus, die nur kurz oder für wenige
Jahre in der Ewigen Stadt waren.4 Damit könnte bereits eine Kanonbehauptung vor-
liegen. Die Tatsache, dass es sich bei den Ausgewählten - mit der Ausnahme von
Overbeck - um Vertreter der älteren, noch wesentlich klassizistisch geprägten und
arbeitenden Generation handelt, bestärkt die Vermutung, es könnte sich um eine
programmatische Auswahl handeln. Die Serie repräsentiert gewissermaßen den Nu-
kleus der deutsch-römischen Künstlerkolonie, zudem sind die Dargestellten, mit Aus-
nahme von Johannes Riepenhausen, als außerordentlich erfolgreiche Künstler zu be-
zeichnen, die nicht nur ideell, sondern auch von ihrer Rezeption her die Spitze der
deutsch-römischen Künstlerschaft markieren - der Däne Thorvaldsen wurde hier
aufgrund seiner nordischen Herkunft wie üblich zu den Deutschen gezählt. Küchlers
Radierungen sind das Hauptdokument für das Aussehen der wichtigsten Protagonisten
der römischen Künstlerszene um 1830 - und sie sie sind als druckgrafisch realisierte
Bildnisserie überlieferungstechnisch singulär.
„Verschmelzung des Altdeutschen und Altitalienischen"
Die Voraussetzungen für die Entstehung einer Bildnisserie, wie diejenige von Küchlers
Hand, waren außerordentlich gut, denn die Bemühungen um das Künstlerbildnis wa-
ren namentlich im Kreis der sogenannten,Deutschrömer' und,Nazarener' besonders
intensiv. An die Gattung Porträt hefteten sich in dieser Künstlergruppe über die übli-
chen Ähnlichkeits- und Vergegenwärtigungsfunktionen noch besondere Ansprüche:
Porträts sollten die Erinnerung an die ehemaligen Künstlerfreunde wachhalten, zu-
gleich wurden im Porträt aber auch Rollenspiele und historisierende Maskeraden
erprobt, welche die künstlerische Gegenwart mit der kunsthistorischen Vergangenheit
verknüpften. In diesem Sinne stand die Fertigung von Porträts auch mit den ver-
schiedenen Formen von künstlerischer Geselligkeit und programmatischen Feiern
in Zusammenhang, in denen die vorbildlichen Helden der alten Kunst - neben Raffael
und Dürer viele andere Renaissancekünstler des Nordens und des Südens, aber auch
Dichter von Homer und Dante bis Hans Sachs und Shakespeare - im kostümierten
Rollenspiel aktiviert wurden.5
Am Beginn der patriotischen Kunsterinnerung im Kreis der Deutschrömer steht
eine Druckgrafik, auch wenn diese erst post festum, nämlich 1832, auf Betreiben
Friedrich Overbecks aus den nachgelassenen Zeichnungen des 1812 verstorbenen
Franz Pforr veröffentlicht wurde.6 Carl Hoffs Radierung nach Pforrs Zeichnung Raffael
und Dürer vor dem Thron der Kunst (Abb. 5) ist ein programmatisches Blatt und
dürfte im Wesentlichen auf kunsttheoretische Experimente der Vereinigung von Nor-
den und Süden, von Charakter und Schönheit, von Natur und Ideal zurückgehen, wie
sie im Kreis der Wiener Lukasbrüder entwickelt worden waren und ab 1810 in Rom
fortgesetzt wurden. Die kleine Umrissradierung ist das eigentliche Schlüsselwerk für
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Küchlers Porträtradierungen vereint eine Tatsache: Es handelt sich um Bildnisse
einer Auswahl derjenigen nordeuropäischen Künstler, die zeit ihres Lebens in Rom
geblieben sind, schließt aber diejenigen Künstler aus, die nur kurz oder für wenige
Jahre in der Ewigen Stadt waren.4 Damit könnte bereits eine Kanonbehauptung vor-
liegen. Die Tatsache, dass es sich bei den Ausgewählten - mit der Ausnahme von
Overbeck - um Vertreter der älteren, noch wesentlich klassizistisch geprägten und
arbeitenden Generation handelt, bestärkt die Vermutung, es könnte sich um eine
programmatische Auswahl handeln. Die Serie repräsentiert gewissermaßen den Nu-
kleus der deutsch-römischen Künstlerkolonie, zudem sind die Dargestellten, mit Aus-
nahme von Johannes Riepenhausen, als außerordentlich erfolgreiche Künstler zu be-
zeichnen, die nicht nur ideell, sondern auch von ihrer Rezeption her die Spitze der
deutsch-römischen Künstlerschaft markieren - der Däne Thorvaldsen wurde hier
aufgrund seiner nordischen Herkunft wie üblich zu den Deutschen gezählt. Küchlers
Radierungen sind das Hauptdokument für das Aussehen der wichtigsten Protagonisten
der römischen Künstlerszene um 1830 - und sie sie sind als druckgrafisch realisierte
Bildnisserie überlieferungstechnisch singulär.
„Verschmelzung des Altdeutschen und Altitalienischen"
Die Voraussetzungen für die Entstehung einer Bildnisserie, wie diejenige von Küchlers
Hand, waren außerordentlich gut, denn die Bemühungen um das Künstlerbildnis wa-
ren namentlich im Kreis der sogenannten,Deutschrömer' und,Nazarener' besonders
intensiv. An die Gattung Porträt hefteten sich in dieser Künstlergruppe über die übli-
chen Ähnlichkeits- und Vergegenwärtigungsfunktionen noch besondere Ansprüche:
Porträts sollten die Erinnerung an die ehemaligen Künstlerfreunde wachhalten, zu-
gleich wurden im Porträt aber auch Rollenspiele und historisierende Maskeraden
erprobt, welche die künstlerische Gegenwart mit der kunsthistorischen Vergangenheit
verknüpften. In diesem Sinne stand die Fertigung von Porträts auch mit den ver-
schiedenen Formen von künstlerischer Geselligkeit und programmatischen Feiern
in Zusammenhang, in denen die vorbildlichen Helden der alten Kunst - neben Raffael
und Dürer viele andere Renaissancekünstler des Nordens und des Südens, aber auch
Dichter von Homer und Dante bis Hans Sachs und Shakespeare - im kostümierten
Rollenspiel aktiviert wurden.5
Am Beginn der patriotischen Kunsterinnerung im Kreis der Deutschrömer steht
eine Druckgrafik, auch wenn diese erst post festum, nämlich 1832, auf Betreiben
Friedrich Overbecks aus den nachgelassenen Zeichnungen des 1812 verstorbenen
Franz Pforr veröffentlicht wurde.6 Carl Hoffs Radierung nach Pforrs Zeichnung Raffael
und Dürer vor dem Thron der Kunst (Abb. 5) ist ein programmatisches Blatt und
dürfte im Wesentlichen auf kunsttheoretische Experimente der Vereinigung von Nor-
den und Süden, von Charakter und Schönheit, von Natur und Ideal zurückgehen, wie
sie im Kreis der Wiener Lukasbrüder entwickelt worden waren und ab 1810 in Rom
fortgesetzt wurden. Die kleine Umrissradierung ist das eigentliche Schlüsselwerk für
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