Ulrich Pohlmann
Abb. 8: Disderi: Napoleon IIL, Paris, um 1858,
Albuminabzug koloriert, Carte de Visite, Münch-
ner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie
Nach dem Prinzip der historischen Vor-
bilder kombinierte er die Porträtaufnah-
men mit ausführlichen Lebensbeschrei-
bungen, allerdings mit eindeutigem
Fokus auf die Fotografie. Im Unterschied
zu den luxuriöser ausgestatteten Porträt-
zyklen von Petit und Trinquart, die auf
größerformatige Bildnisse und an-
spruchsvolle Textautoren setzten, waren
die preisgünstigeren Bildserien Disderis
auf ein Massenpublikum ausgerichtet.
Und anders als Nadar hatte Disderi die
gesellschaftlich Arrivierten aus dem Um-
feld des bourbonischen Hofes im Blick
(Abb. 8). Die ersten wöchentlichen Lie-
ferungen beinhalteten Porträts von Aris-
tokraten, Geistlichen (Kardinal Giacomo
Antonelli), Militärs (General de Pimo-
dan), Komponisten (Jacques Halevy),
Schauspielerinnen (Madeleine Brohan,
Adelaide Ristori), Schriftstellern (Alp-
honse Karr) und Malern (Alexandre-Ga-
briel Decamps; vgl. Taf. 147a und 147b),
die in Buchhandlungen in Frankreich und
im Ausland angeboten wurden. Die ins-
gesamt fünf Alben mit 125 Porträtauf-
nahmen - es kam zumindest noch zu drei
weiteren Lieferungen - waren für 125
Francs erhältlich, während das Einzelfoto mit Begleittext für 1 Franc 75 Centimes zu
haben war (Abb. 9 und 10).
Doch Disderi war nicht das einzige Pariser Fotoatelier, das im zweiten Kaiserreich
den wachsenden Bedarf an Bildern der führenden Protagonisten des öffentlichen Le-
bens abdeckte. Der Prominentenkult sorgte für eine ständige Nachfrage, auf die die
Fotografen auf unterschiedliche Weise reagierten.
So offerierte beispielsweise das Atelier Mayer freres et Pierson im Jahre 1861 be-
reits 2.000 sogenannter Prominenten-Porträts.12 Mayer et Pierson hatten 1856 mit
ihren Bildnissen von politischen Repräsentanten des Pariser Friedenskongress, der
nach Beendigung des Krim-Krieges die Machtverhältnisse in Europa neu regelte, ein
erstes, viel beachtetes Porträtalbum vorgelegt, das für 25 Francs erhältlich war. Wenig
später entstand zwischen 1857 und 1861 ein Album mit insgesamt 195 Carte de Vi-
site-Aufnahmen von französischen Abgeordneten des „Corps Legislatif" (Abb. 11).
Darüber hinaus hatte das Atelier, das wie Disderi mit dem lukrativen Titel eines Hof-
fotografen von Napoleon IIL in Anzeigen und auf der Rückseite der Visitkarten warb,
118
Abb. 8: Disderi: Napoleon IIL, Paris, um 1858,
Albuminabzug koloriert, Carte de Visite, Münch-
ner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie
Nach dem Prinzip der historischen Vor-
bilder kombinierte er die Porträtaufnah-
men mit ausführlichen Lebensbeschrei-
bungen, allerdings mit eindeutigem
Fokus auf die Fotografie. Im Unterschied
zu den luxuriöser ausgestatteten Porträt-
zyklen von Petit und Trinquart, die auf
größerformatige Bildnisse und an-
spruchsvolle Textautoren setzten, waren
die preisgünstigeren Bildserien Disderis
auf ein Massenpublikum ausgerichtet.
Und anders als Nadar hatte Disderi die
gesellschaftlich Arrivierten aus dem Um-
feld des bourbonischen Hofes im Blick
(Abb. 8). Die ersten wöchentlichen Lie-
ferungen beinhalteten Porträts von Aris-
tokraten, Geistlichen (Kardinal Giacomo
Antonelli), Militärs (General de Pimo-
dan), Komponisten (Jacques Halevy),
Schauspielerinnen (Madeleine Brohan,
Adelaide Ristori), Schriftstellern (Alp-
honse Karr) und Malern (Alexandre-Ga-
briel Decamps; vgl. Taf. 147a und 147b),
die in Buchhandlungen in Frankreich und
im Ausland angeboten wurden. Die ins-
gesamt fünf Alben mit 125 Porträtauf-
nahmen - es kam zumindest noch zu drei
weiteren Lieferungen - waren für 125
Francs erhältlich, während das Einzelfoto mit Begleittext für 1 Franc 75 Centimes zu
haben war (Abb. 9 und 10).
Doch Disderi war nicht das einzige Pariser Fotoatelier, das im zweiten Kaiserreich
den wachsenden Bedarf an Bildern der führenden Protagonisten des öffentlichen Le-
bens abdeckte. Der Prominentenkult sorgte für eine ständige Nachfrage, auf die die
Fotografen auf unterschiedliche Weise reagierten.
So offerierte beispielsweise das Atelier Mayer freres et Pierson im Jahre 1861 be-
reits 2.000 sogenannter Prominenten-Porträts.12 Mayer et Pierson hatten 1856 mit
ihren Bildnissen von politischen Repräsentanten des Pariser Friedenskongress, der
nach Beendigung des Krim-Krieges die Machtverhältnisse in Europa neu regelte, ein
erstes, viel beachtetes Porträtalbum vorgelegt, das für 25 Francs erhältlich war. Wenig
später entstand zwischen 1857 und 1861 ein Album mit insgesamt 195 Carte de Vi-
site-Aufnahmen von französischen Abgeordneten des „Corps Legislatif" (Abb. 11).
Darüber hinaus hatte das Atelier, das wie Disderi mit dem lukrativen Titel eines Hof-
fotografen von Napoleon IIL in Anzeigen und auf der Rückseite der Visitkarten warb,
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