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Brandt, Annalena [Hrsg.]; Hefele, Franz [Hrsg.]; Lehner, Hanna [Hrsg.]; Pfisterer, Ulrich [Hrsg.]
Pantheon und Boulevard: Künstler in Porträtserien des 19. Jahrhunderts, Druckgrafik und Fotografie — Passau: Dietmar Klinger Verlag, 2021

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[Katalog] 19. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.70035#0503
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1871-1880

typie als die beste fotomechanische Imitation des fotografischen Charakters eines
Abzugs gelten, die der Differenziertheit der Halbtöne Rechnung trägt und wegen des
Wegfalls des fotografischen Korns sogar noch feiner als ein zu dieser Zeit üblicher
Albuminabzug aussehen kann. Das ästhetische Defizit des Prozesses, kein reines
Weiß zu erzielen, fiel bei Porträts nicht ins Gewicht, sodass diese als ideales Anwen-
dungsfeld galten.1 Die Woodburytypie bleibt allerdings ein handwerkliches und -
durch den immensen benötigten Druck - technisch aufwendiges Verfahren.2 Auf einer
Druckpresse konnten pro Stunde immerhin ungefähr 200 Reproduktionen erzeugt
werden.3 Nicht der geringste Vorteil war, dass hierzu - anders als bei fotochemisch
erzeugten Abzügen - kein Tageslicht erforderlich war, sondern dass bei jedem Wetter
und zu jeder Tageszeit gearbeitet werden konnte. Dies erleichterte es, einen wö-
chentlichen Lieferrhythmus verlässlich und mit Reproduktionen in gleichbleibend
hoher Bildqualität zu bedienen, und das zu einem vergleichsweise günstigen Preis.
Paris-Theätre nutzt diese Vorzüge erstmals erfolgreich, um eine Porträtserie aufzu-
bauen. Serielle Porträtpublikationen unterschiedlichsten Zuschnitts schließen sich
in den 1870er und 1880er Jahren an. So wird die Woodburytypie ebenfalls die Bilder
für die in Paris erscheinende Galerie contemporaine (1876-1884; vgl. Kat. 172) oder
die Porträtrubrik der britischen Zeitschrift The Theatre (ab 1878) liefern.
Paris-Theätre zeichnet sich jedoch nicht nur durch die gelungene Erprobung eines
neuen fotomechanischen Reproduktionsverfahrens aus. Zugleich wird ein erfolgrei-
ches Publikationsmodell aufgesetzt, das die Porträtserie über einige Jahre trägt. Nach
ein paar Monaten wird der Fokus auf das aktuelle Theaterprogramm ausgesetzt und
sich auf die Kombination der seriellen Porträtlieferung mit Beiträgen zum Pariser
Kulturleben konzentriert. Das Aushängeschild der Zeitschrift bleibt die Porträtsamm-
lung, die den Nummern überzeitlichen Wert verleiht. Noch Jahre später werden sämt-
liche erschienenen Nummern, ausschließlich identifiziert über die jeweils abgebildete
Celebrity, zum Kauf angeboten.
Mit der Neuaufstellung der Zeitschrift wird das Porträt auf dem Titel nun von
einem mächtigen, vignettierten Rahmen umfangen, der dem längst nicht seitenfül-
lenden Bild einen großen Auftritt verschaffen soll. Symbolisch verweist der orna-
mentale Rahmen auf das Theater. Am unteren Rand des Rahmens ist ein Textfeld
freigehalten, in das der Name der porträtierten Person eingetragen werden kann,
am oberen Rand Platz, um das Theater, an dem die Schauspieler und Schauspielerinnen
beschäftigt sind, zu nennen oder aber das Tätigkeitsfeld (z. B. „compositeurs") - Unter
dem vignettierten Titel „Camees artistiques" verfasst der Redakteur der Zeitschrift,
Felix Jahyer, auf dem Verso des Blatts eine kompakte Biografie. Der verbleibende
Platz des zunächst vierseitigen Journals wird einerseits mit Gedichten und Artikeln
zum Kulturleben, andererseits mit Kurznachrichten und Werbung gefüllt.
Indem die wöchentliche Zeitschriftenpublikation auf die Erstellung einer Porträt-
galerie abzielt, wird Paris-Theätre zu einem eigenartigen Hybrid von Zeitschrift und
Lieferungswerk. Das Celebrity-Porträt wird einerseits zum Supplement gemacht, in-
dem es mit der exakt einseitigen Camee genau auf ein Blatt passt: „Le premier feuillet
ne contenant que la photographic et la biographie des artistes, s'adresse plus parti-

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