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auf einen Treppenvorplatz, von dem es links in die kleine Gefängniszelle und rechts in den
„Abtritt" ging. Dieser lag unter dem ersten Treppenabsatz. 6 Stufen führten auf das Ni-
veau der Tenne, von wo dann gegenläufig die Treppe in das Obergeschoß führte. Auf der
Tenne waren die Spritzenwagen und die Gemeindechaise untergebracht. Im Obergeschoß
gab es lediglich die „große und kleine Rathstuben". Die kleine Ratstube war Dienstort
des Gerichtsschreibers und diente den regelmäßigen Sitzungen des Dorfgerichts, der Saal
den Gemeindeversammlungen und den häufigen Renovationen, wenn unter starkem
Publikumsverkehr alle Pachtverhältnisse bestätigt oder neu vergeben wurden. Größere
Feste sowie Ausbietungen von gemeindlichen oder sonstigen behördlichen Bauvorhaben,
sogenannte Akkorde, fanden hier statt. Die Marienstatue in der Nische an der auffällig-
sten Ecke des Rathauses war den Reformierten ein Dorn im Auge, zeigte aber die katholi-
sche Obrigkeit unter den letzten Pfälzer Kurfürsten an. Auf dem Dach befand sich ein
Uhrtürmchen.

Unter dem Schultheißen Heinrich Herzberger kam es in den 70er Jahren des 18. Jahrhun-
derts über die Frage der Verbesserung dieses Gebäudes zu einem langwierigen Streit zwi-
schen dem Schultheißen und dem Gericht auf der einen Seite und den Gemeindevertretern
unter der Führung von Wendel Bühler auf der anderen Seite, der dem Gebäude sehr scha-
dete, da man sich mehr als 20 Jahre lang nicht einmal über die notwendigen Reparaturen
einigen konnte. Der Verfall des Rathauses war schon so weit fortgeschritten, daß im April
1784 die Geschäfte der Schatzungsrenovation in das Wohnhaus des Schultheißen verlegt
werden mußten, da das „seit mehreren Jahren innwendig eine Räuber Höhle ähnliche
Rathhauß" unbenutzbar war. Der Schultheiß mußte in der Folge für den Publikumsver-
kehr seine,, eigenen Zimmer... mit Verbrennung des eigenen Holzes in dem eigenen Hauße
hergeben und zum Gemeinen Besten benutzen lassen, weil vor Wind und Wetter und im
Winter wegen großer Kälte sich auf dahiesigem Rathhauß niemand schützen konnte"
[vom 14.1.1789 in 362/1802].

1786 veranlaßte der Schultheiß eine Besichtigung durch das Heidelberger Oberamt, das
den Handschuhsheimer Schultheißen Neureuther als Sachverständigen schickte, der in
einem ausführlichen Bericht den überaus traurigen Zustand des Seckenheimer Rathauses
bestätigte:,,... desselben obere Fensterrahmen sind durchgängig verfaulet, auch an vilen
Orten die fensterscheiben gebrochen. Die zwei oben befindlichen große und kleine Raths-
stuben sind im Winter ganz unbrauchbar, weilen die Kälte theils wegen dem schlechten
Zustande der Fenster, theils wegen dem dünnen stuben boden, und der in dem unteren
stock sich allenthalben befindlichen Öfnung überall hineindringen kann, überhaubt auch
dasselbe im zweiten stock mit allzuvilen fenstern versehen ist" [229/96 438 Bericht vom
26.9.1786].

Worum ging nun der Streit? Der Schultheiß wollte zusammen mit dem Gericht neben der
Reparatur des Obergeschosses die Öffnungen des Erdgeschosses schließen und den Boden
der Ratsstube besser isolieren. Dazu wollte er das Erdgeschoß besser genutzt wissen,
indem die Tenne nur noch die östliche Hälfte des Erdgeschosses einnehmen sollte; auf der
westlichen Seite wollte er den Rundbogen zugemauert sehen und den so gewonnenen
Raum zu einer zusätzlichen Ratsstube umgestalten. Die obere kleine Gerichtsstube sollte
dann der Aufbewahrung der Akten und sonstigen Gerätschaften dienen. Dazu kam noch,
aß durch die Anlage der Chaussee wenige Jahre zuvor das Erdgeschoß 2 Fuß = 60 cm
unter dem neuen Straßenniveau lag und so das „aufgethaute Schnee- und häufige Regen-
nasser seinen Abfluß in das vertiefte Rathhauß hineinzieht, dort versickert und dem
Gebäude Schaden verursachen mußte .... tiefer alß dieser Untere Stock liegt das Gefän-
Sniß zur Aufbewahrung der Diebe... dieser Orth ist also nicht allein von dem äusern hin-

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