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„Reichsadler" und die der Familie Gund im „Badischen Hof". Der Badische Hof hatte die
Brautradition des gegenüberliegenden Karpfen von 1721 her übernommen. 1891 kaufte
der Landwirt Philipp Pfisterer die Brauerei „Zum Badischen Hof" und begann bald, sie zu
einem modernen Betrieb auszubauen. Vor der Übernahme diente als einzige Antriebsma-
schine ein von einem Pferd betriebener Göpel, den Pfisterer durch eine kleine stehende
6 PS-Dampfmaschine ersetzte. Wenn diese Maschine ausfiel, mußte ein Schlosser aus
Mannheim geholt werden. 1897 stellte Pfisterer die erste Eismaschine von 45 PS auf,
wodurch die alten Bierkeller (Turnverein 98 und Linde) überflüssig wurden. Er baute auch
ein neues Sudhaus und steigerte den Bierabsatz um 1900 auf 4000 Hektoliter. 1911 über-
nahm Artur Pfisterer das Unternehmen, das vor allem mit der Edinger Aktienbrauerei in
Konkurrenz stand. 1920 schloß sich das hiesige Unternehmen mit der Edinger Aktien-
brauerei zusammen. 1923 wurde die Verbindung wieder gelöst, als die Mannheimer Eich-
baum-Brauerei in Edingen einstieg. In der Zeit der Fusion war ausschließlich in Secken-
heim gebraut und die Anlagen stark vergrößert worden. Neue Sudhäuser wurden gebaut
und moderne Maschinen aufgestellt, darunter eine Faßwaschanlage und eine Flaschen-
spülmaschine, ferner Abfüllanlagen für Flaschen und Fässer. In den Kellern wurden
Aluminiumtanks eingebaut und die Dampfmaschine durch elektrischen Antrieb ersetzt.
Die Mälzerei, die im Ersten Weltkrieg abgebrannt war, wurde von Grund auf neu aufge-
führt. In den dreißiger Jahren produzierte die Brauerei zwischen zwanzig und dreißigtau-
send Hektoliter und dehnte ihren Kundenkreis weit über Seckenheim hinaus aus. Diese
Entwicklung setzte sich auch nach dem Tode Artur Pfisterers 1954 fort. Erst die Konzen-
trationsbewegung in der Brauindustrie und unvorsichtige Spekulationen setzten dem
bekanntesten Seckenheimer Betrieb 1973 ein Ende.

Der Fabrikant Anton Peter, „Lack-Peter", verlegte 1903 seine Lack- und Firnisfabrik aus
Ladenburg in die Weyer'sche Ziegelfabrik in Seckenheim, Hauptstraße 64. Diese Ziegel-
fabrik war stillgelegt. Ihre Anlagen wurden vollständig abgerissen und an ihre Stelle eine
moderne Lack- und Chemische Fabrik errichtet. Der Fabrikbetrieb nahm einen größeren
Aufschwung, als Peter im Jahre 1908 Patente aus dem Ausland erwarb. Der Betrieb ver-
größerte sich so, daß nach der Inflation das danebenliegende Bühler'sche Sägewerk dazu
erworben und die Fabrik um die Hälfte erweitert wurde. In den dreißiger Jahren wurden
dort Auto- und Dekorationslacke, Spritzlacke, Emaillelacke, Spachtelkitt und Leinölfir-
nis sowie Bohnerwachs und Wachspolitur hergestellt. Dazu kamen Lederfett und Leder-
konservierungsmittel. Als besondere Spezialität wurden Trockenstoffe (Siccative und
Halbfabrikate) für die Lack- und Firnisindustrie hergestellt. Durch eine Anzahl von
Patenten war die Firma krisensicher. Das Sortiment wurde nach dem Zweiten Weltkrieg
ausgebaut und die Anlagen ständig modernisiert. Heute heißt die Firma „Lack- und Farb-
werke Carl Fay". Der Vertrieb umfaßt die ganze Bundesrepublik und das Ausland. Heute
beschäftigt die Firma Fay rund 120 Mitarbeiter.

Der älteste Industriebetrieb im Ort, der aus einem handwerklichen Gewerbebetrieb, und
zwar einer Schmiede, hervorging, ist die Firma Lochbühler, Maschinen- und Aufzugsbau,
die von dem aus Großsachsen stammenden Schmied Georg Lochbühler 1873 in der Haupt-
straße 143 gegründet worden ist. Sein Sohn Ludwig übernahm 1900 den Betrieb als Schlos-
serei und mechanische Werkstätte. Alle Branchen, die etwas mit Eisen, Stahl, Elektrizität,
Wasserleitungen und Landmaschinen zu tun hatten, wurden beliefert und alle anfallenden
Reparaturen ausgeführt. So wurde die Schlosserei Ludwig Lochbühler zu einer dieser
kleinen technischen Universalwerkstätten, wie sie um 1900 zu Tausenden überall in
Deutschland aufblühten und die breite Technisierung unseres Lebens einleiteten. Gras-
und Getreidemäher als erste Landmaschinen und Fahrräder wurden an Landwirte ver-

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