Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
4. Entwürfe von Gemeinschaft im
6. Jahrhundert

Rechtsetzung ist Machtsetzung
und insofern ein Akt von
unmittelbarer Manifestation der Gewalt.1

Im Jahr 591 ereignete sich eine Fehde im Teilreich des minderjährigen Chlothar II.
Sie brach just dort aus, wo etwas mehr als hundert Jahre zuvor König Childerich
mit Waffen, Siegelring, Pferden und hunderten Goldmünzen begraben worden
war: in Tournai. Falls dieser Ort um 480 tatsächlich eine Hauptresidenz der
Merowinger war, ist es nicht vollkommen abwegig, dort auch die Niederschrift
der Lex Salica zu vermuten. Die Fehde des Jahres 591 lief dagegen gänzlich ohne
Rekurs auf Recht ab. Anlass für den Konflikt war der Ehebruch eines Mannes,
der die Verwandten der betrogenen Ehefrau zur Rache anstiftete. Als der Mann
von seinem Schwager ermordet wurde, setzte der Kreislauf der Gewalt ein und
war auch durch Ermahnungen der Königin Fredegunde, der Regentin des Teil-
reichs, nicht aufzuhalten. Gregor von Tours, dem wir diese Anekdote verdanken,
kommentierte sarkastisch2:
Da Fredegunde sie aber mit versöhnlichen Worten nicht beruhigen
konnte, räumte sie endlich beide mit dem Beil aus dem Weg. Sie lud
nämlich viele Männer zu einem Gelage ein und hieß diese drei sich auf
eine Bank niedersetzen; und als nun das Mahl sich solange ausdehnte,
bis die Nacht die Welt bedeckte, blieb man nach der Sitte der Franken
(mos Francorum), noch als der Tisch bereits abgedeckt war, auf den
Bänken sitzen, wie man gesetzt worden war. Sie tranken viel Wein und
wurden so berauscht, dass auch ihre Diener endlich betrunken in den
Winkeln des Hauses, wo gerade ein jeder hinsank, einschliefen. Da
stellten sich drei Männer, die von Fredegunde dazu beordert waren,
mit Beilen hinter jene drei Franken, und während sie miteinander
sprachen, schwangen diese Leute ihre Hände sozusagen von einem
einzigen Schlage und hieben die Männer nieder. Darauf ging man vom
Mahle weg. Die Namen dieser Männer waren: Chariwald, Leodowald
und Waldenus.

1 Benjamin, Schriften II, 2, S. 198.

2 Gregor von Tours, Decern libri historiarum X, 27, S. 519f.
 
Annotationen