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Ubl, Karl
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 9): Sinnstiftungen eines Rechtsbuchs: die "Lex Salica" im Frankenreich — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2017

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.73537#0166
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6. Karl der Große und die mystische Autorität
des Rechts

Or les loix se maintiennent en credit,
non parce qu'elles sont justes, mais par ce qu'elles sont loix.
C'est le fondement mystique de leur autorite.1

Kein anderer Herrscher des Frankenreichs hinterließ so viele Dokumente, die
von der Sorge um Recht, Gerechtigkeit und Gesetz Zeugnis ablegen. Gleichwohl
wurde bereits wenige Jahre nach Karls Tod gerade in Bezug auf die Gerechtigkeit
des großen Kaisers heftige Kritik geübt. Der erste Biograph Ludwigs des
Frommen, der Dichter Ermoldus Nigellus, pries zwar den kriegführenden Vater,
der die Reiche mit Waffen erwarb, gab ihm aber zugleich ganz offen die Schuld
daran, dass viele durch Bestechung oder List, durch strenge Gesetze und das
„vergoldete Recht" (lex aurata) in die Unfreiheit gedrängt worden seien: „Da
wuchs auf das Übel in dichten Ähren gar vielfach."2 Einige Jahre später sprach
ein anderer Ludwigsbiograph, der Trierer Chorbischof Thegan, von einer „un-
gezählten Menge von Bedrückten, denen das väterliche Erbe oder die Freiheit
entzogen worden war".3 Selbst der Karlsbiograph Einhard, der ansonsten aus
seiner großen Bewunderung für seinen Patron keinen Hehl machte, nahm ihn
gegen die Kritik wegen unangebrachter Grausamkeit (crudelitas) in Schutz und
lenkte diesen Vorwurf auf die Ehefrau des Frankenkönigs.4 Am meisten Auf-
merksamkeit zog in der Geschichtsschreibung jedoch das kritische Urteil Ein-
hards über Karls Rechtsreform auf sich:
Nach Annahme des Kaisertitels, als er sah, wie viele Mängel den Ge-
setzen seines fränkischen Volkes anhafteten - die Franken haben
nämlich zwei Rechtsbücher, die in sehr vielen Stücken stark vonein-
ander abweichen —, nahm er sich vor, Fehlendes zu ergänzen, Wider-
sprüchliches in Einklang zu bringen, Unrechtes und verkehrt Be-
kanntgemachtes zu verbessern; indes er kam damit nicht weiter, als
dass er wenige Kapitel den Volksrechten hinzufügte, und auch diese

1 Montaigne, Essais III, c. 13, Bd. IV, S. 170.

2 Tum vitium hoc passim spissis succrevit aristis. Ermoldus Nigellus, Carmen in honorem Hludovvici
Caesaris II, v. 840, S. 66.

3 ... innumeram multitudinem oppressorum aut ablatione patrimonii, aut expoliatione libertatis ...
Theganus, Gesta Hludowici imperatoris c. 13, S. 195.

4 Einhard, Vita Karoli c. 20, S. 26. Zum Vorwurf der crudelitas vgl. Nelson, Opposition, S. 9.
 
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