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Riegl, Alois
Die spätrömische Kunst-Industrie nach den Funden in Österreich-Ungarn: Die spätrömische Kunst-Industrie nach den Funden in Österreich-Ungarn im Zusammenhange mit der Gesammtentwicklung der Bildenden Künste bei den Mittelmeervölkern — Wien, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.1272#0006
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EINLEITUNG.

?LS vor einigen Jahren seitens des k. k. Unterrichtsministeriums an mich die Aufforderung
ergieng, für eine Publication von Denkmälern der antiken Kunstindustrie in Österreich-
Ungarn den auf die nachconstantinische Zeit und die sogenannte Völkerwanderungs-
periode entfallenden Antheil zu übernehmen, habe ich derselben umso freudiger entsprochen, als
sich mir damit die willkommene Gelegenheit eröffnete, meine ornament-geschichtlichen Unter-
suchungen auf einem hiefür außerordentlich wichtigen und dankbaren Gebiete zu erweitern und
zu vertiefen. Die gestellte Aufgabe ließ von selbst eine Zweitheilung geboten erscheinen: der
erste Theil hatte die Frage nach den Schicksalen der Kunstindustrie bei den bisherigen Trägern
der allgemeinen Entwicklung — den Mittelmeervölkern — zu beantworten, der zweite hingegen
das Maß des schöpferischen Antheiles der damals in die Culturwelt neu eingetretenen nordischen
Barbarenvölker an der Gestaltung der bildenden Kunst in den fünfthalb Jahrhunderten zwischen
Constantin dem Großen und Karl dem Großen festzustellen. Der erste Theil sollte die
verbindenden Fäden aufdecken, die zur vergangenen Antike zurückleiteten, der zweite Theil die
frühesten Keime der mittelalterlichen Kunst bloßlegen, wie sie sich später, vom neunten Jahr-
hundert ab, bei den germanischen und romanischen Völkern Europas entwickelt hat. Der erste
Theil erschien mir seit jeher als der wichtigere, denn ohne eine vorangegangene befriedigende
Beantwortung der in diesem Theile aufgeworfenen Fragen war offenbar an eine erfolgreiche
Lösung der dem zweiten Theile vorbehaltenen Aufgabe nicht zu denken.

Indem ich nun den ersten Theil der Öffentlichkeit übergebe, habe fch vor allem eine
Erklärung dafür zu liefern, warum der Inhalt desselben den durch den gemeinsamen Obertitel
des zweitheiligen Werkes erweckten Erwartungen gegenüber einerseits zu wenig, anderseits zu
vieles zu bieten scheint: zu wenig, denn es findenden darin keineswegs alle Denkmälergattungen
der spätrömischen Kunstindustrie publiciert und erörtert, — zu vieles, denn neben der Kunst-
industrie erscheinen auch die drei übrigen großen Kunstgattungen, und darunter insbesondere die
Sculptur, in nahezu gleichgestelltem Maße berücksichtigt.

Die Erklärung für diese anscheinende Incongruenz zwischen Titel und Inhalt möge man
erstlich in dem Umstände erblicken, dass meine Absicht nicht so sehr auf die Publication von
Einzeldenkmälern, als vielmehr auf die Aufzeigung der leitenden Gesetze der Entwicklung -
in der spätrömischen Kunstindustrie gerichtet war; diese Gesetze aber, die wie immer und
allezeit, so auch während der spätrömischen Periode, für alle Kunstgattungen gemeinsame


 
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