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Riegl, Alois
Die spätrömische Kunst-Industrie nach den Funden in Österreich-Ungarn: Die spätrömische Kunst-Industrie nach den Funden in Österreich-Ungarn im Zusammenhange mit der Gesammtentwicklung der Bildenden Künste bei den Mittelmeervölkern — Wien, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.1272#0132
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MALEREI.

127

Die Entstehung der Mosaiken von Santa Costanza in Rom, wie dieses Rundbaues überhaupt,
wird durch die Tradition mit den Töchtern Constantins des Großen in Verbindung gebracht. An
der Richtigkeit der damit gegebenen Datierung ins zweite Viertel des vierten Jahrhunderts zu
zweifeln (wie auch schon geschehen ist), existiert kein zureichender Grund; denn w,enn auch die
zwei Porträtköpfe darin (Fig. 45) mit ihrem scharfen Seitenblicke und die weinlesenden Putten
mit ihren nicht minder lebendigen Bewegungen eher dem mittelrömischen Stile anzugehören
scheinen, so hat uns doch anderseits die Betrachtung der stadtrömischen Sarkophagsculptur des
vierten Jahrhunderts zur Genüge gelehrt, dass wir in diesem ganzen Jahrhundert neben dem
unleugbaren Fortschritt zu dem Neuen (Spätrömischen) noch beständig mit einem Beharren bei
mittelrömischen Kunstabsichten zu rechnen haben. Übrigens wird gerade an diesen Putten
(Fig. 45, zwischen den Ranken) ersichtlich, wie die unruhig schillernden Lichter in ihrem
Fleische weder zur Modellierung (Flächenverbindung zwischen Ausladungen) beitragen, wie sie ihr
Complement — der Schatten — in der vorangegangenen antiken Kunst erzielt hatte, noch die
Figur zu ihrer räumlichen Umgebung in Beziehung setzen, wie es durch den einseitigen Lichteinfall,
Freilicht, Reflexlicht in der neueren Kunst geschieht, sondern nur einen ständigen rhythmischen
Wechsel von belichteten und beschatteten Theilflächen und damit ein ganz eigenes Sonderleben
innerhalb der in sich geschlossenen Masse bezwecken. So erklärt sich der Widerspruch, der in
unseren Augen darin liegt, dass diese spätrömischen Mosaikfiguren (und in gewissem Sinne gilt das
Gleiche von allen gemalten antiken Figuren, diejenigen der früheren Kaiserzeit nicht aus-
geschlossen) einerseits eine packende Lebenswahrheit (Wickhoffs „Illusionismus") verrathen,
die in der optischen Auffassung begründet liegt, anderseits stets etwas Schattenhaftes, Traum-
haftes, Maskenhaftes an sich tragen. Aber auch in diesem letzteren gelangt nicht eine Unzuläng-
lichkeit des Könnens, sondern eine sehr positive (ja die allerpositivste) Seite des antiken Kunst-
wollens zum Ausdrucke, wonach die Einheit und Klarheit stets in der Einzelform gesucht wird,
wogegen der formlose Raum dazwischen als solcher und daher auch jede Rücksichtnahme auf
denselben um seiner selbst willen verunklärend, anstößig und daher unkünstlerisch wirkt.

Von dem ehemaligen Mosaikschmucke von Santa Costanza hat sich heute nur ein Theil
erhalten, und hievon können der Entstehungszeit mit voller Sicherheit nur die Decorationen des
tonnengewölbten Umganges zugeschrieben werden. *

Durch diese Zweckbestimmung war für die Composition ein gewisser Ausnahmscharakter
gefordert, indem der Beschauer den Inhalt der Gewölbedecoration von zwei Seiten her zu sehen
bekam; infolgedessen mussten die Figuren rechts und links von der Mittelaxe einander sozusagen
den Rücken zuwenden, wenn sie sich dem Beschauer in aufrechter Ansicht präsentieren wollten.
Hebt man diese von außen her dictierte Anordnung als gemeinsam heraus, so ergeben sich im
übrigen namentlich drei Schemata der Flächencomposition, denen die ungefähr trapezförmigen
Gewölbefelder folgen.

JE. Composition mit deutlicher Betonung des Centrums (Porträtkopf Fig. 45) und der Ecken
(Weinlesescenen, auf beiden Seiten gleich). Aller Grund dazwischen dicht mit kleinblätterigen
Ranken übersponnen, die eine streng kreisrunde Einrollung grundsätzlich vermeiden und Motive

t Die Figurenscenen in den Nischen in entsprechend eingehender Weise zu prüfen, gebrach es mir bisher an Zeit und Gelegenheit, und
da überdies keine genügenden Reproductionen davon vorliegen, muss ich an dieser Stelle von der Abgabe eines Unheils über Stilcharakter und
Zeitstellung dieser Bilder Umgang nehmen. Die Kuppelmosaiken sind lediglich in Abbildungen erhalten und daher für unsere Untersuchungen
nicht zu verwerten.
 
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