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NACHWORT

Riegls Gruppenporträt kommt für die Forschung nach der Er-
kenntnis des Wesens der holländischen Kunst des XVI. und XVII.
Jahrhunderts und des Sinnes ihrer Wandlungen eine besondere Be-
deutung zu. Die holländische Malerei — wie sie historisch gegeben
ist — in ihrem künstlerischen »So-und-nicht-anders-Sein« zu erfassen,
wie sich dieses im einzelnen Werk und im Zusammenhang mani-
festiert, festzustellen, ist die Aufgabe, der die Entwicklungsgeschichte
einer Bildgattung durch zwei Jahrhunderte dient. Es ist eine Aufgabe,
die für die Kunstwissenschaft zu den interessantesten innerhalb der
europäischen Kunst der Renaissance und Nachrenaissance gehört. Ihre
Lösbarkeit stand lange Uberhaupt in Frage, da sich einer stilkritischen
Betrachtung holländischer Kunst noch ganz andere Schwierigkeiten
entgegenstellen wie der ihr zeitgenössischen italienischen oder fran-
zösischen Malerei. Es ist bei den Schöpfungen dieser Kunstkreise
immerhin klar, daß sie Kunstwerke sind, bei denen ein Linienaufbau,
eine farbige Komposition vorhanden ist, fllr die es genaue Regeln gibt;
es sind damit Elemente des Bildaufbaus gegeben, die zur Grundlage
stilkritischer Untersuchungen gemacht werden können. Nicht so für
die holländische Malerei, vor allem die des 17. Jahrhunderts, die
durch fast zwei Jahrhunderte — noch bis zur Mitte des IQ. Jahr-
hunderts — die revolutionäre Kunst schlechthin ist, eine Kunst, die
sich nirgends den von den Akademien kodifizierten Vorschriften
der Barockklassik fügt, eine Kunst, die sich weder um die Größe des
darzustellenden Gegenstandes, noch um die als würdig anerkannte
Darstell ungsformkümmert, noch Rücksicht nimmt auf die Forderungen
eines wohlabgewogenen Geschmackes. Es ist eine Kunst, die immer
nur ein einzelnes, unvergleichbares Objekt, mag es Landschaft oder
Schenke oder ein Gesicht sein, in seiner individuellen Besonderheit
zu geben scheint. Das Schicksal der Wertung und Erkenntnis dieser
Kunst ist von Anfang an diese ihre »Natürlichkeit«. Eine Natürlichkeit,
die jeder »inneren Gesetzlichkeit« zu widersprechen scheint. Bedurfte
es doch eines Uber hundert Jahre langen Kampfes, bis man Uberhaupt
fUr die Kunstgeschichte die Feststellung eroberte, daß diese Natürlich-
keit etwas anderes sei als Naturabklatsch, geübt am zufälligen, un-
würdigen Darstellungsgegenstand, der häßlichen Alltagserscheinung.
Ja, die Treue der Wiedergabe war für ihre ersten Verteidiger, Amateure

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