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367

7. SELBSTBEZÜGLICHKEIT DES MALENS -
SELBSTBEZÜGLICHKEIT DER MALEREI:
DIE «DORNENKRÖNUNG CHRISTI»
IN MÜNCHEN

Im letzten Kapitel habe ich mit dem Porträt Aretinos (Tf. I) und der
«Judith mit dem Haupt des Holophernes» (Tf. IV) zwei Gemälde analy-
siert, deren offene malerische Faktur wirkungsästhetisch motiviert ist.
Mit ihnen möchte ich nun die Werke aus Tizians letzten Lebensjahren kon-
trastieren. Der reflexive Charakter, der der Malerei mit sichtbarem Pinsel-
strich durch den Verweis auf ihre Genese per se eingeschrieben ist, wird in
ihnen noch gesteigert, und er riskiert, wie zu zeigen sein wird, ihre visuelle
Evidenz. Tizians Auseinandersetzung mit dem topischen Schein und der
Illusionierungskraft der Malerei, die ein Charakteristikum bereits seiner
früheren Bilder war, wird zum integralen Bestandteil dieser späten
Gemälde, die extreme Positionen im bildtheoretischen Diskurs der
Frühen Neuzeit markieren. So indizieren gerade sie seine besondere
Bewußtheit für die Medialität der künstlerischen Darstellung.

7.1. Geniale Schöpfungen oder Werkstattrelikte?

Zur kontroversen Diskussion um Tizians Spätwerk

Keine Phase von Tizians Vita hat eine so kontroverse Beurteilung erfahren
wie die seiner rund zehn letzten Lebensjahre. Seinen Zeitgenossen war die
Tätigkeit des alten Malers offenkundig in hohem Grade suspekt.1 Dies hat

70 Tizian, Dornenkrönung Christi, München, Alte Pinakothek
 
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