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ST. GALLEN

179

ST. GALLEN.

Mangels genügender und zuverlässiger Quellen wie vor allem ausreichenden
Denkmälermaterials hat man sich neuerdings für die Ostschweiz kunstgeogra-
phisch kurzer Hand dahin beschieden, Orte wie St. Gallen und Scharfhausen als
„Nebenfilialen der Konstanzer Kunst" zu deklarieren1. Vielleicht wurde hier-
bei aber zu wenig bedacht, daß uns zur Beurteilung einer solchen kunstge-
schichtlich wichtigen Frage für die Gebiete des Thurgaues wie des heutigen
Kantons St. Gallen nach den radikalen Bilderstürmen, namentlich auf dem Feld
der Tafelmalerei, nur noch klägliche Reste verblieben sind, nicht minder auch,
daß bis jetzt nicht einmal ein ernstlicher Versuch unternommen wurde, das
nicht unbedeutende Quellenmaterial, das in den Archiven und Bibliotheken
der genannten Orte liegt, zu Tag zu fördern und zu sammeln, eine unabweis-
liche Vorbedingung, um eine zuverlässige Antwort darauf geben zu können,
inwieweit man bei schweizerischen Hauptorten wie Zürich, Luzern und St. Gal-
len einerseits von einer Kunstfiliale und andererseits von künstlerischer Selb-
ständigkeit oder gar von einem Kunstzentrum zu sprechen berechtigt ist.
Richtig scheint die bisherige Annahme zu sein, daß St. Gallen, wenigstens auf
dem Gebiet der Plastik, von dem zentral gelegenen Konstanz, dem Mittelpunkt
der großen deutschen Diözese, und selbst von dem entfernteren Ulm das ganze
15. und bis ins 16. Jahrhundert hinein abhängig gewesen ist. Die Konstanzer
Bildhauer Hans Henckel, Hans Olmütz und Heinrich Iselin sorgten für Altäre
und nötige Schnitzereien", und selbst in den zwanziger Jahren des Reforma-
tionsjahrhunderts lieferte eine Ulmer Werkstatt, wohl diejenige Syrlin-Lang-
eisens, im Auftrag des Abts Franz Gaisberg und der Familie Vogelwaider das
gesamte Schnitz- und Rahmenwerk für den riesigen neuen Fronaltar des St. Gal-
ler Münsters. Auf diese Tatsache einer künstlerischen Abhängigkeit weisen auch
die auswärtigen Plastikschenkungen hin, mit denen die Frauen zu St. Katharina
seitens des Ulmer Bildhauers Michael Erhart und des Konstanzer Münsterbau-
meisters Vinzenz Ensinger mehrfach bedacht wurden3.

1. W. Hugelshofer, Schweizer Handzeichn. des 15. und 16. Jahrh. (1928), 7.

2. Qu. i>. 76, 241.

3. Einen intimen Einblick in das künstlerische Leben, das sich im XV. und Anfang XVI. Jahr-
hundert im St. Katharinenkloster entfaltete, bieten die erst jüngst wieder ans Tageslicht
gekommenen Aufzeichnungen der Priorin Engel Varnbüler (1176—1509), der Schwester des
damaligen Bürgermeisters, in denen wir viel von Schenkungen an Kunstgegenständen seitens
Gönner und Künstler erfahren: von silbergetriebenen Arbeiten, Schnitzereien, Heiligenstatuen,
Tafelbildern und Wandmalereien, Bildwirkereien und Leinenstickereien, Votivtafeln für Ver-
storbene, einem geschnitzten ölberg und namentlich von zahlreichen Glasgeniälden für den
Kreuzgang und das Refektorium. St. Galler wie auswärtige Künstler erhielten hier lohnende
Aufträge. Vgl. die Auszüge in Qu. p. 252 f. — Diese kultur- wie kunstgeschichtlich wichtigen
Einträge verdienten es, für einen größeren Leserkreis veröffentlicht zu werden.
 
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