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FRAUENFELD. WINTERTHUR UND ZÜRICH

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FRAUENFELD, WINTERTHUR UND ZÜRICH.

Wir wenden uns nunmehr der mittleren Sehweiz, dem Kanton Thurgau und
dem Umkreis von Zürich zu, um in einer summarischen Übersicht eine Vorstel-
lung von den dort bis zur Reformation herrschenden Kunstzuständen zu gewin-
nen. Die Hauptstadt des Thurgaus, Frauenfeld, tritt kunstgeschichtlich wäh-
rend des behandelten Zeitraums nur wenig hervor; die Nähe von Konstanz und
schon von Winterthur macht sich hier geltend. Der einzige nachweisbare Maler
des 15. Jahrhunderts, Hans Vogt, wandert gegen dessen Ende nach Straßburg
aus und stirbt dort zu Beginn des neuen: nur der Winterthurer Maler Lux Graf
ist samt seinem — vermutlichen — Sohn Jörg ein paar Jahre hier ansässig, zieht
dann aber wieder in die Heimat zurück. Und die nötigen Wappenfenster liefer-
ten auswärtige Glasmaler, wie Ludwig Stilhart und Balthasar Federlin der
Stadtverwaltung.

Ähnlich steht es in künstlerischer Hinsicht gegenüber den Thurgauer Klöstern
Feldbach b. Steckborn und St. Katharinental b. Diessenhofen1, von denen das
letztere eine schöne Johannesgruppe in Nußbaum bei dem Meister Heinrich
Iselin in Konstanz bestellte (s. o.), während zwei aus Feldbach verbürgterweise
stammende stattliche, wohlerhaltene und dem letzten Jahrzehnt des 15. Jahr-
hunderts angehörende Altartafeln, die heute im bischön. Palast zu St. Gallen
aufbewahrt werden, vermutlich in der Werkstatt des Malers Ludwig Graf zu
Winterthur entstanden sind. Dargestellt sind: auf den Außenflügeln lehrhafte
Szenen aus dem Leben Christi und solche des Täufers und des Ev. Johannes
samt der Georgs- und Ursulalegende auf den Innenseiten. Der für das Boden-
seegebiet charakteristische goldene Rankendamast und die weiblichen Halb-
figuren der zugehörigen, ebendort aufgehängten Staffel deuten auf nahe Zusam-
menhänge mit Konstanz hin, namentlich mit der Werkstatt des altern Gutrecht.
Nach Tracht, Physiognomie und Formgebung einiger Figuren dürfte aber der
Meister — demnach Ludwig Graf — vom Mittelrhein gekommen und über die
Bodenseestadt in Winterthur eingewandert sein'.

Ein für die Kunstgeschichte des Bodensees wichtiges Tafelgemälde befindet sich
in der Nähe von Frauenfehl, in der katholischen Friedhofkapelle des nahen
Oberkirch (ehem. Beinhaus, Jodokus- oder Annenkapelle), das leider durch
eine eingreifende Restauration, besonders eine Übermalung des 18. Jahrhun-
derts zurzeit noch stark entstellt ist, aber eine sorgfältige Wiederherstellung

1. Über die künstlerisch sehr beachtenswerten Wandmalereien im Zist. Kloster Tänikon, ca.
1520, vgl. J. R. Rahn, Die mittelalterl. Architektur- und Kunstdenkm. d. Kantons Thurgau
(1899), 379 f. und W. Hugelshofer, Die Züricher Malerei. 79.

2. S. unten. — Eine Tafel vom gleichen, etwas trockenen und hölzernen Maler, in Straßburger
Privatbesitz, abgeb. im Züricher Ausstellungskat. (1922), Nr. 84, Abb. 12.
 
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