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Sarre, Friedrich [Hrsg.]
Denkmäler persischer Baukunst: geschichtliche Untersuchung und Aufnahme muhammedanischer Backsteinbauten in Vorderasien und Persien (Tafelband) — Berlin, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.5516#0005
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Vorwort

D,

'as Hochland von Iran, das Land der Perser, ist seit der Niederwerfung der babylonischen Weltmacht durch
Kvros auf den Gang der Weltgeschichte von bestimmendem Einfluss gewesen. Unter ihm und seinen Nachfolgern
gelangten ganz Vorderasien bis zum ägäischen Meere und Aegypten unter die Oberherrschaft der persischen Monarchie,
bis die Griechen einem weiteren Vordringen Einhalt geboten. Aber Alexanders Siegeszug, seine und der Diadochen
Besitzergreifung des Landes selbst waren nur eine Episode. Weder die Legionen Roms, noch die Heere von Byzanz
haben es vermocht, den durch die Parther und Sassaniden zur alten Einheit und Macht zurückgeführten Nationalstaat
niederzuwerfen oder auch nur ernstlich zu erschüttern. Erst dem Ansturm der fanatischen Glaubensheere der Araber
erlag das persische Weltreich, und die Einheit des Landes ging mit dem nationalen Kultus zu Grunde.

Auf den Trümmern entstanden Staaten unter teilweise selbständigen Statthaltern, und wenn auch Bagdad, der
Sitz des Chalifats, als das Centrum der ostislamischen Welt angesehen wurde, so gelangten doch das nördliche Persien
mit seinen Hauptstädten Nischapur, Ray (Rhages) und Tus, die Oxusländer mit Samarkand, ferner Balch und Herat zu
selbständiger Blüte und eigener Kultur. Um die Wende des Jahrtausends errichtete Machmud von Gazna im heutigen
Afganistan einen mächtigen Staat, der bald nach seinem Tode zusammenfiel, als der türkische Stamm der Seldschuken
aus dem Innern Asiens hervorbrach und in ungezügeltem Siegeslauf ganz Iran, das Chalifenreich von Bagdad, Syrien und
Kleinasien in seine Gewalt brachte. In dieser Jahrhunderte lang währenden Periode der Völkerwanderung, als den sesshaft
gewordenen Seldschuken die Mongolen unter Dschingiz Chan und diesen die Scharen Timurs folgten, ist trotz der gewaltigen
Umwälzungen und Verheerungen die Kultur Irans nie völlig zu Grunde gegangen. Oft wurden die Söhne und Enkel
barbarischer Eroberer friedliche Förderer und Beschützer wissenschaftlicher und künstlerischer Bestrebungen. Ikonium,
die Hauptstadt des seldschukischen Sultanats von Kleinasien, Tebriz und Sultanieh, die Residenzen der mächtigen mon-
golischen Ilchane, sind Beispiele dieser friedlichen Entwickelung. Jene Fürsten fühlen sich nicht als Fremde, sie betrachten
sich als die Nachfolger der grossen Achämeniden und Sassanidenherrscher. Als solche nennen sich die seldschukischen
Sultane von Ikonium nach dem Heldengeschlecht der Kajaniden: Kai-Kobad, Kai-Kaus und Kai-Chosro, wie sie Firdosi
im Schahname, dem nationaliranischem Epos, besungen hat.

Als im XVI. Jahrhundert durch die Dynastie der Safiden das ganze iranische Hochland nach Jahrhunderte langer
Zerrissenheit noch einmal wieder unter einem Scepter vereinigt wurde, erlebten die Perser, geführt von kraftvollen und
klugen Herrschern und erfüllt von dem Bewusstsein, im Gegensatz zu allen anderen muhammedanischen Völkern als
Schiiten die wahre Lehre des Propheten zu besitzen, eine kurze Zeit des Glanzes und nationaler Grösse.

Im Gegensatz zur Kenntnis der Geschichte und Litteratur des weiteren Orients ist die der Kunstdenkmäler eine
geringe geblieben, eine Folge der Abgeschlossenheit des Landes, der Schwierigkeiten, die sich dem Reisenden entgegen-
stellen, und die sich seit drei Jahrhunderten, wo uns zuerst europäische Kaufleute und Missionare von den Denkmälern
Persiens Kunde brachten, nur teilweise vermindert haben. Zwar kennt man das gewaltige Relief des Darius am Berge
Bisutun, die Ruinen von Pasargadae und Persepolis, die dank dem festen Material der Zerstörung einigermassen
widerstanden haben. Anders verhält es sich mit den fern vom Gebirge, aus Backstein errichteten Denkmälern. Hier
können nur systematische Ausgrabungen Klarheit schaffen, wie sie Marcel Dieulafoy auf der Stätte des alten Susa unter-
nommen hat, und aus denen hervorgeht, dass die Perser auf keramischem Gebiete die Kunst der unterworfenen
assyrischen und babylonischen Länder übernommen haben.

Aus der Epoche der Sassaniden hat sich von keramischen Leistungen nichts erhalten; aber in ihren grossartigen
Palastanlagen haben sie Vorbilder geschaffen, die für die Entwickelung der muhammedanischen Baukunst, für die Anlage
der Moscheen und religiösen Schulen von hoher Bedeutung gewesen sind.

Auf der durch die spätantike., byzantinische und sassanidische Kunst geschaffenen Grundlage hat sich die Archi-
tektur der ostislamischen Länder entwickelt, und sie ist als solche einen ganz anderen Weg gewandelt, als die der
westlichen Länder des Islams. Der Backstein ist in der muhammedanischen Architektur des Ostens noch mehr wie im
Altertum das fast ausschliessliche Baumaterial; entspricht doch auch die keramische Dekoration in ihrer farbigmalerischen
Wirkung der orientalischen Geschmacksrichtung in besonderem Masse.


 
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