III.
Führen wir uns in aller Kürze vor, wie sich die Vorstellung vom
Riesen Polyphem von den ältesten Zeiten bis auf unsere Tage ge-
wandelt hat. Der Überblick ist, als Vorbereitung auf eine unbefangene
Beurteilung des Kunstwerkes, durchaus nicht überflüssig; viel Neues
allerdings wird man, nach den Arbeiten von Jahn, Helbig und Hol-
land80), von mir nicht erwarten.
Von mythischen Urzeiten her verbindet eine enge Vetterschaft
die Schmiedegesellen des Hephaistos mit der lustigen bakchischen
Gesellschaft87). Aber der einzige Kyklop, der zur Persönlichkeit und
weit und breit berühmt geworden ist, weifs nichts mehr von dieser
Urverwandtschaft. Die Märchengestalt des Riesen Polyphem, die in
die Odyssee88) übergegangen ist, scheint allerdings in der Nachbar-
schaft der Kyklopenwerkstatt, am Aetna zu Hause zu sein; aber das
Wesen der Feuerdämonen hat sie völlig abgelegt. Der homerische
Polyphem ist ein unholder Gesell, der arglose Fremdlinge erhascht
und verzehrt. In der Nähe des Meeres führt er ein einsames Hirten-
leben; eine grofse, halbverwachsene Höhle bietet ihm und seinen
Herden Schutz. Riesenhaft ist sein Wuchs; als Stütze dient ihm eine
Keule so grofs wie ein Mast, ein rohes Werk seiner eigenen, un-
gefügen Hände. Er hat nur ein Auge und verliert das eine noch
Führen wir uns in aller Kürze vor, wie sich die Vorstellung vom
Riesen Polyphem von den ältesten Zeiten bis auf unsere Tage ge-
wandelt hat. Der Überblick ist, als Vorbereitung auf eine unbefangene
Beurteilung des Kunstwerkes, durchaus nicht überflüssig; viel Neues
allerdings wird man, nach den Arbeiten von Jahn, Helbig und Hol-
land80), von mir nicht erwarten.
Von mythischen Urzeiten her verbindet eine enge Vetterschaft
die Schmiedegesellen des Hephaistos mit der lustigen bakchischen
Gesellschaft87). Aber der einzige Kyklop, der zur Persönlichkeit und
weit und breit berühmt geworden ist, weifs nichts mehr von dieser
Urverwandtschaft. Die Märchengestalt des Riesen Polyphem, die in
die Odyssee88) übergegangen ist, scheint allerdings in der Nachbar-
schaft der Kyklopenwerkstatt, am Aetna zu Hause zu sein; aber das
Wesen der Feuerdämonen hat sie völlig abgelegt. Der homerische
Polyphem ist ein unholder Gesell, der arglose Fremdlinge erhascht
und verzehrt. In der Nähe des Meeres führt er ein einsames Hirten-
leben; eine grofse, halbverwachsene Höhle bietet ihm und seinen
Herden Schutz. Riesenhaft ist sein Wuchs; als Stütze dient ihm eine
Keule so grofs wie ein Mast, ein rohes Werk seiner eigenen, un-
gefügen Hände. Er hat nur ein Auge und verliert das eine noch