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Schapire, Rosa
Johann Ludwig Ernst Morgenstern: ein Beitrag zu Frankfurts Kunstgeschichte im XVIII. Jahrhundert — Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Band 57: Strassburg: J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel), 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.66368#0070
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56

es schwerlich gewesen sein, denn Morgenstern bleibt darin so-
weit hinter Chr. G. Schütz zurück, daß der alte Rat, der Bes-
seres gewöhnt war, ihm diese kaum abgenommen haben dürfte.
Mit größerer Wahrscheinlichkeit darf man auf «Bataillen»
schließen, da Morgenstern darin wohl kaum einen Nebenbuhler
unter den Frankfurter Malern hatte.
Auf der Rückseite des bereits erwähnten Blattes (S. 26),
auf dem Morgenstern 1766 seine verliehenen Beträge verzeichnet
hat, sind mit sehr verwischten Zügen die Namen mehrerer seiner
regelmäßigen Frankfurter Abnehmer mit einem jeweilig nach
rechts ausgeworfenen kleinen Betrage aufgeführt. Darunter
figuriert auch an siebenter Stelle der Name «Goethe» mit einem
Betrage von 12.— Talern. Jedenfalls kann dies Verzeichnis, in
dem ausschließlich Frankfurter Namen vorkommen, nicht vor
1769 oder, was wahrscheinlicher ist, 1772 entstanden sein.
Im Besitze von Herrn F. Ernst Morgenstern befindet sich
eine sauber ausgeführte Rötelzeichnung, die in ihrem Goldrahmen
einen Ehrenplatz im Atelier einnimmt, und in der Familie durch
Tradition als Goetheporträt gilt. Der Dargestellte, etwa 16 jährig,
ist im Profil nach links gewandt, hat volle Lippen, eine etwas
kurze Nase, große, hellblickende Augen und eine stark zurück-
weichende Stirn. Es ist ein ansprechendes Jünglingsgesicht;
das Blättchen ist weder bezeichnet noch trägt es irgend einen
Vermerk auf der Rückseite, rührt aber ohne Zweifel von Morgen-
stern her.
Keine bessere Beglaubigung als eine solche Herkunft könnte
es für ein Jugendbildnis Goethes geben ! Was erscheint natür-
licher, als daß in Morgenstern, der architektonische Linien in
Goethes «nebulistische» Zeichnungen zieht, der Wunsch sich
regt, das Bild dieses Jünglings mit den ganz besonderen Zügen
festzuhalten? Das Bildchen könnte um 1770 entstanden sein,
ehe Wolfgang die Straßburger Universität bezogen hat. Morgen-
stern war kein Porträtmaler, vielleicht war der junge Goethe
der erste, der ihm gesessen hat, — wäre es da so verwunder-
lich, daß von einer zwingenden Aehnlichkeit nicht die Rede ist,
daß er Goethe jugendlicher aufgefaßt hat als der 21 jährige da-
mals ausgesehen haben kann ? Und sollte die seit Generationen in
der Familie Morgenstern bestehende Tradition gar nichts bedeuten?
 
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