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Scheffler, Carl
Rudolf Levy — Veröffentlichungen des Kunstarchivs, Berlin, Band 17: Berlin: Werkkunst-Verl., 1926

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Fabel im Leben oder in der Geschichte aufsucht, so hat man den
Dichter, der von außen an die Kunst herantritt. Jener geht
induktiv vor, er leitet das Allgemeine vom Besonderen ab, dieser
geht deduktiv vor, er leitet das Besondere aus dem Allgemeinen
ab. Jenem ist das Erlebnis, ist der Stoff das Primäre, er geht
von der Natur aus; diesem ist die Idee das Primäre, er geht von
Formvorstellungen aus. Ins Gebiet der Malerei übersetzt, gehört
dem ersten Typus der Maler an, der den Anstoß spontan von
optischen Eindrücken empfängt — oder empfangen hat —; dem
zweiten Typus gehört der Maler an, der hinterher für eine Formal-
vorstellung die passenden Gegenstände, die Körper sucht. Der
erste geht vom Fließenden, vom Ungestalteten aus und zwingt
es zur Harmonie, er empfängt naiv vom Objekt das Gesetz, das
Naturmotiv überwältigt ihn; der zweite geht vom schon Ge-
stalteten, von der Harmonie aus und füllt sie vorsichtig mit
Anschauungen, er empfängt mehr spekulativ vom Formgesetz
die Objekte und baut sich selbst Motive auf. Der von innen zur
Kunst Gelangende braucht, wie man einsieht, vor allem Sinn-
lichkeit und Temperament, um Natur in Kunst zu verwandeln;
der von außen an die Kunst Gelangende bedarf mehr eines
exakten Formgefühls und der Einsicht, um die Harmonie rück-
wärts mit Leben und Natur zu füllen. Jener hat bestimmte
Gegenstände vor Augen und verwandelt sie auf der Leinwand in
bedeutungsvolle Farbenflecke; dieser setzt mit Bedeutung
Farbenflecke auf die Leinwand und gibt ihnen zuletzt eine Ähn-
lichkeit mit Gegenständen.
Das klingt natürlich einseitiger und gröber als sich der Vor-
gang abspielt. Auch liegt in dieser Feststellung nicht ohne wei-
teres ein Werturteil, weil sich ja beide Künstlertypen, obwohl
sie von entgegengesetzten Enden ausgehen, in der Mitte des
Weges sehr wohl begegnen können. Hier wird der Gedanke, von
dem aus man die ganze Kunst denken kann, nur aufgenommen,
um anzudeuten, wie die Bilder der Maler aus dem Matissekreis,
wie auch Budolf Levys Bilder entstehen. Nicht buchstäblich
vielleicht, aber doch grundsätzlich. Sie entstehen mittelbar.
Daraus erklärt sich dann, warum der Künstler das Stilleben,
vor allem die Blumen bevorzugt, warum er gern Gegenstände
malt, die an sich dekorative Eigenwirkung haben: Blumen,
Früchte, schöne Gefäße, farbige Stoffe usw. Die Arbeitsweise
verlockt zu leiser Systematik und Rezeptmäßigkeit. Unterliegt
der vom Natureindruck ausgehende Künstler, so bleibt er
naturalistisch im Stofflichen befangen; unterliegt der von der
Formvorstellung ausgehende Künstler, so erscheint er als For-
malist. Gegen diese Gefahr des Formalismus hat sich auch Levy
zu wehren. Er tut es mit einer sinnlichen Klugheit, und er tut
es in den meisten Fällen mit Erfolg. Jedem Bild merkt man
an, wie ernst daran gearbeitet worden ist, wie sehr es durch-
dacht und durchgebildet ist, wie angestrengt die schöne Ordnung

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