der schillernden Oberfläche singt. Doch so hübsch geformte und
redliche Lieder, daß man den Klang mit innigem Behagen ver-
nimmt.
Man schmeckt vor diesen Bildern noch die glückliche Zeit, die
der Maler in dem kleinen Orte Sanary am Meer dort unten ver-
brachte. Er wanderte über den Strand, durch den Hafen, blickte
über die Bucht, schritt landeinwärts durch üppige Baumreihen
von gedämpftem hellem Grün und stieg zu den Hügeln, wo die
noblen grauen Oliven stehen. Rings entfaltet sich ein farbiges
Spiel von sinnlicher Anmut, oft von Juwelenreiz. Am liebsten
ist mir der Viadukt, über den hin man zu märchenhaft bunten
Bergen träumt, und besonders die Straßenecke, ein Städtchen-
Ausschnitt aus warmen Himmelsstrichen, der ganz köstlich
geraten ist. Ein Frauenbildnis, schwerer, härter im Vortrag,
läßt an einem Schulbeispiel erkennen, wie Levy koloristisch
komponiert und wie er Elemente der Erscheinung leicht und
graziös zu ornamentalem Stil entbietet.
Max Osborn (Vossische Zeitung, Januar 1925)
* *
*
Ein Künstler, der sich durch das viele wilde Getue dieser
aufgeregten Zeit nicht beunruhigen läßt, der mitten in dem
Lärm zweier europäischer Hauptstädte, abwechselnd in Berlin
und Paris lebend, unbeirrt seinen Faden weiterspinnt, beweist
durch diese Beharrlichkeit allein eine nicht gewöhnliche Willens-
kraft und Sicherheit des Talentes. Man darf diese beiden Eigen-
schaften Rudolf Levy zusprechen, und man darf ihn einen
Maler nennen, da er zu den gar nicht vielen gehört, die den Aus-
druckswert der Farbe, die darstellerische Bedeutung des Valeurs
erkannt haben. Mit all dem ist Levys Malerei nicht eben sen-
sationell, sie ist nicht überraschend, und sie will es nicht sein,
sie gleicht eher einem tüchtigen und ernsten Handwerk, das es
sich zum Ziel setzt, schöne und reine Dinge zu erzeugen.
Curt Glaser (Börsen-Courier, 1922)
* *
*
Blick auf die Bucht von Sanary. Sanary! Ich war in Geo-
graphie immer so schwach. Es soll in Südfrankreich liegen.
Warum nur, warum fast alle Menschen dort leben bleiben,
wo sie geboren wurden! Zumindest im klimatischen Kreis. Es
ist ja wahr, das Herz schlägt nordisch. Aber die Finger frieren.
Und mit den Fingern friert manchesmal die Seele. Und Kälte
weckt die Sehnsucht. Und Sehnsucht — wo sollte sie landen,
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redliche Lieder, daß man den Klang mit innigem Behagen ver-
nimmt.
Man schmeckt vor diesen Bildern noch die glückliche Zeit, die
der Maler in dem kleinen Orte Sanary am Meer dort unten ver-
brachte. Er wanderte über den Strand, durch den Hafen, blickte
über die Bucht, schritt landeinwärts durch üppige Baumreihen
von gedämpftem hellem Grün und stieg zu den Hügeln, wo die
noblen grauen Oliven stehen. Rings entfaltet sich ein farbiges
Spiel von sinnlicher Anmut, oft von Juwelenreiz. Am liebsten
ist mir der Viadukt, über den hin man zu märchenhaft bunten
Bergen träumt, und besonders die Straßenecke, ein Städtchen-
Ausschnitt aus warmen Himmelsstrichen, der ganz köstlich
geraten ist. Ein Frauenbildnis, schwerer, härter im Vortrag,
läßt an einem Schulbeispiel erkennen, wie Levy koloristisch
komponiert und wie er Elemente der Erscheinung leicht und
graziös zu ornamentalem Stil entbietet.
Max Osborn (Vossische Zeitung, Januar 1925)
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Ein Künstler, der sich durch das viele wilde Getue dieser
aufgeregten Zeit nicht beunruhigen läßt, der mitten in dem
Lärm zweier europäischer Hauptstädte, abwechselnd in Berlin
und Paris lebend, unbeirrt seinen Faden weiterspinnt, beweist
durch diese Beharrlichkeit allein eine nicht gewöhnliche Willens-
kraft und Sicherheit des Talentes. Man darf diese beiden Eigen-
schaften Rudolf Levy zusprechen, und man darf ihn einen
Maler nennen, da er zu den gar nicht vielen gehört, die den Aus-
druckswert der Farbe, die darstellerische Bedeutung des Valeurs
erkannt haben. Mit all dem ist Levys Malerei nicht eben sen-
sationell, sie ist nicht überraschend, und sie will es nicht sein,
sie gleicht eher einem tüchtigen und ernsten Handwerk, das es
sich zum Ziel setzt, schöne und reine Dinge zu erzeugen.
Curt Glaser (Börsen-Courier, 1922)
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Blick auf die Bucht von Sanary. Sanary! Ich war in Geo-
graphie immer so schwach. Es soll in Südfrankreich liegen.
Warum nur, warum fast alle Menschen dort leben bleiben,
wo sie geboren wurden! Zumindest im klimatischen Kreis. Es
ist ja wahr, das Herz schlägt nordisch. Aber die Finger frieren.
Und mit den Fingern friert manchesmal die Seele. Und Kälte
weckt die Sehnsucht. Und Sehnsucht — wo sollte sie landen,
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