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Das Schlingen- und Netzmotiv im Glauben und Brauch der Völker H

poetischen Bilde erstarrt, welches die strafende Gewalt Gottes
andeutet:

Hosea 7, 12: „Da sie (die Israeliten) so wandeln, werde
ich (Gott) mein Netz über sie ausbreiten". Ez. 12, 13: „Und
ich (Gott) werde mein Netz über ihn (den sündhaften Fürsten)
ausbreiten und in meinen Maschen wird er gefangen". Ez.
17,19—20: „Darum spricht Gott der Herr: So wahr ich lebe,
ich bringe meinen Eid, den er verletzt hat, und meinen Bund,
den er gebrochen hat, auf sein Haupt. Und ich breite mein
Netz über ihn aus, so daß er in meinen Maschen gefangen
wird". Ez. 32, 3: „So spricht Gott der Herr: Ich breite mein
Netz aus über dich vor vielen versammelten Völkern, daß sie
dich in meinem Garn heraufziehen". Eka 1,13: „Gegen meine
Füße spannte er (Gott) das Netz aus". Hiob 19, 6: „Wisset
nun, daß Gott mir unrecht getan hat und über mich sein
Netz geworfen hat".

Der Ausspruch des Babbi Aqiba1: „Ein Netz ist über
alle Lebenden ausgebreitet", erinnert sogar an die germanische
Vorstellung, nach welcher das Gewebe der Nornen über jedem
Menschen hängt (s. S. 9). Im jüdischen Volksglauben lebte noch
die Vorstellung fort, daß die Dämonen mit Schlingen versehen
sind. So lehrt B. Dösa, daß im Verse Misle 3, 26: „Gott wird
deine Füße vor den Schlingen behüten", von den Schlingen
der Dämonen die Bede sei2. Auch in altchristlicher Zeit be-
gegnete man solchen Vorstellungen, vgl. Lucas 13, 16: tüvt>]v
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Ivd-fjvat cmb tob ösa^iou tovzov. Auf einem griechisch-christ-
lichen Goldamulett stehen in aramäischer Sprache die Worte:
„Gebunden hat die Augen deine Tochter des Fiebers"3. Also

1 Pirqe Ibüt 3, 20.

2 Beresit Babbä Par. 1 zu cap. 1, 1. Gemäß einem altjüdischen Zauber-
buch binden die Dämonen, die man zwecks Vernichtung seines Feindes an-
ruft, mit sechs Knoten das Haupt, die Augen, den Mund, die Zunge, den
Hals und die Luftröhre des Feindes (vgl. M. Gaster Sword of Moses 1896, 51 f.).

3 M. Siebourg, Bonn. Jahrb. Bd 118, 162. Die heidnische Auffassung,
daß eine Gottheit Verderben bringende göttliche Wesen in Fesseln legt
(vgl. Schwartz, Ztschr. d. Ver. f. Volksk. II 197 und HI 448 ff.), findet sich
auch im Neuen Testament. Nach Off. Joh. 9, 14 ff. sind die Engel des
Verderbens gefesselt, die, wenn sie von den Schlingen befreit sind, die
 
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