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Das Schlingen- -and Netzmotiv im Glauben und Brauch der Völker 57

befestigt1. Bei den Eingeborenen Australiens tragen Braut
und Bräutigam ein rotgefärbtes Stirnband, in welches auch
rote Federn gesteckt sind2. Auf den Torres - Straits - Inseln
werden um den Nacken der Braut Schnüre, die mit Hundezähnen
besetzt sind, geschlungen 3.

9. Der Lebensfadeu

Bei mehreren Völkern herrschte die Anschauung, daß
das Leben des Menschen mittels eines Fadens an den Körper
gebunden ist. Beißt dieser Lebensfaden, so entschwindet das
Leben. Beste dieses Glaubens finden wir in der Bibel. „Ist
der Strick in den Menschen zerrissen, so sterben sie" 4. „Meine
Tage . . . gehen zu Ende ..., da der Faden aufhört" 5. „Ich
wurde verkürzt, wie wenn der Weber mein Leben mir vom
Faden abreißt" °. Nach dem Midras hängt das Leben des
Menschen an dem Faden der Wirbelsäule'. Gemäß der grie-
chischen Anschauung ist jedem Menschen bei seiner Geburt
der Lebensfaden (Uvov) von der Schicksalsgöttin sfioa ge-
sponnen 8. Diese Vorstellung findet sich auch bei den rö-
mischen Dichtern9. Der Eingeborene von Celebes glaubt,
daß in der Wohnung einer bestimmten Gottheit, die über Tod
und Leben eines jeden Menschen entscheidet, jede Seele eines
Sterblichen an einem besonderen Faden hängt. Zerschneidet
nun diese Gottheit einen solchen Faden, so stirbt der be-
treffende Mensch10. Auf Grund solcher Anschauungen ist es
verständlich, wenn man bei manchen Völkern durch einen
Zauber das entschwindende Leben einer schwerkranken, mit
dem Tode ringenden Person an den Körper festzubinden
glaubt, indem man um den Körper ein Band oder eine Schnur
windet. Diese Auffassung ist vorhanden in Süd-Celebes, auf

1 Ztschr. d. Ver. f. rhein. u. westfäl. Volkskunde 1907, 182.

2 J. Dawson Australiern Aborigines 1881, 31.

" Report of the Cambridge Anthrop. Exp. to Torres Straits, Vol. VI
1908, 113. 4 Hiob 4, 21. ' Hiob 7, 6. 0 Jes. 38, 12.

7 Midras Tehillim 11, 6. « II. 20, 128; 24, 210; Od. 7, 198.

• vilae fila z. B. Ovid. her. 15, 82.
10 Juynboll, Arch. f. E.-W. VII 510.
 
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