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Das Schlingen- und Netzmotiv im Glauben und Brauch der Völker 53

lieh, daß wir viele bei einem Todesfalle übliche Abwehrriten
auch bei der Hochzeit wiederfindenNach dem jüdischen
Volksglauben müssen Braut und Bräutigam behütet werden,
da sie dämonischen Angriffen am meisten ausgesetzt sind2.
Daher ist es in manchen Gegenden Deutschlands bei den
Juden üblich, dem Bräutigam, bevor er seinen Gang zum
'Trauhimmel antritt, wo er der Gefahr, behext zu werden, am
meisten ausgesetzt ist, ein Stück Stahl in die Tasche zu
stecken, das ihm als Schutzmittel gegen Behexung dienen
soll3. Bei verschiedenen Völkern werden daher am Hoch-
zeitstage die bösen Dämonen durch Knallen und Poltern vom
Brautpaare ferngehalten. So schießt bei der altindischen
Hochzeit ein Brahmane Pfeile ab mit den Worten: „Ich
durchbohre das Auge der Geister, die um diese Braut herum-
streifen" 4. In Norwegen schießt man beim Hochzeitszuge,
um Zauberei und Unheil zunichte zu machen5. Bei den
Sarawaks (Borneo) ist deshalb das Brautkleid mit zwei bis
drei Reihen Schellen versehen, deren Geklirr die Geister ver-
scheucht 8. Das Zerschlagen von Scherben am Polterabend7,
dem Vorabend der Hochzeit, ferner das Zerbrechen eines
Bechers am Hochzeitstage dienten ursprünglich zur Ver-
scheuchung der bösen Geister, die durch das Getöse verjagt
werden. Nach, dem deutschen Volksglauben wird „die Ehe,
wenn recht viel geknallt wird, glücklich"8. Das Zerbrechen
von Geschirr bei der Hochzeit ist in Deutschland, in den Nieder-
landen und bei den Slaven Brauch °. In den meisten deutschen

1 Vgl. z. B. den Gebrauch des Salzes zum Schutz gegen solche Geister
-(E. Samter, Geburt, Hochzeit und Tod 1911, 151 ff.).

2 Zakaria Plungian, Sefer Zekira 0. J. (wohl um 1850 gedruckt)
Heleq 2 BI. 8b.

3 A. Berliner, Aus dem Leben der deutschen Juden im Mittelalter,
.Berlin 1900, 100. 4 H. Oldenberg, Keligion des Veda 271.

5 Liebrecht, Zur Volkskunde 319.

6 H. Ling Koth Natives of Sarawdk 1896, I 113.

' Vgl. A. Wuttke, Deutscher Volksaberglaubea 369; Ztschr. d. Ver. f.
Thein. u. westfäl. Volksk. 1907, 181.

8 Wuttke, Deutscher Volksabergl.3 369; E. H. Meyer, Deutsche Volksk.
.1906, 82.

9 Ztschr. d. Ver. f. Volksk. XIV 384; E. Samter, Geburt, Hochzeit und
Tod 60f.
 
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