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Schlagintweit, Emil
Indien in Wort und Bild: eine Schilderung des indischen Kaiserreiches (Band 1) — Leipzig, 1880

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https://doi.org/10.11588/diglit.613#0232
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Grabdenkmäler über Hindu-Heilige.

EILFTES CAPITEL.

Orissa.

rissa, der Sitz des Volkes der Odra oder Uriya, ist dem gläubigen Anhänger
der Brahmanen, was dem Christen Palästina, dem Moslim Arabien: das heilige
Land, welches die Sünden hinwegnimmt, der Wohnsitz der Götter, während sie
Mensch wurden und als Erlöser der Gläubigen sich erbarmten. Die Bewohner,
im Uebrigen dumm gescholten, sind dereinst sicher des Reiches der Geister; ein
Bad in den heiligen Strömen der Provinz genügt, Sünden wegzuwaschen, seien
sie so hoch wie Berge aufgethürmt. Indien ist zwar reich an Wallfahrtsorten, an
denen Menschwerdungen der Gottheit verehrt werden; aber keine andere Provinz
ist wie Orissa (ein Land von der Grösse Württembergs) von einem Ende zum anderen
ein Tirtha oder geheiligter Ort, an welchem Gläubige aus ganz Indien zusammen-
strömen. Die Eintheilung des Ländchens in vier Kschetra, Felder oder heilige
Gebiete, nach den Göttern, denen in jedem der Haupttempel geweiht ist, (zwei Siwa, eines der
Sonne, eines Wischnu) sicherte eine religiöse Duldsamkeit unter den Confessionen, die anderen
heiligen Weltorten zum Muster dienen könnte.

Den alten Hindus galt Orissa als unrein wegen der rohen Gebräuche seiner Bewohner;
noch im 16. Jahrhunderte wurde es den Portugiesen von Menschenfressern mit Pferdsköpfen be-
völkert geschildert und bis zur Gegenwart ist einzelnen der dortigen untersten Kasten das Betreten
des Dschagannäth Tempels untersagt. Die Ueberlieferung, dass 543 vor Christus Buddhisten
den jetzt in Ceylon aufbewahrten Zahn des Buddha (S. 64) nach Orissa überführten und dort
einem Könige gaben, der einen Sanskritnamen trug, bestätigt die Angabe in den Hindu-Annalen,
dass Brahmanen dem Lande bereits im achten vorchristlichen Jahrhunderte einen Hindu-König
vorsetzten. Aehnlich wie die christlichen Ritterorden Preussen dem Germanenthume eroberten, so
entwickelt sich in Orissa mit dem Einzüge der Buddhisten neues Leben und findet der Uebergang

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