Fünftes Kapitel
DIE HAUSKLEINODIEN DES HAUSES HABSBURG
Zu ihnen gehört das älteste Stück, das die Schatzkammer überhaupt
besitzen dürfte, die kolossale Schale (Taf. XLIII) aus orientalischem
Achat, angeblich das größte Exemplar seiner Art, dreiviertel Meter
im Durchmesser haltend. Sein einziger Dekor sind die ziemlich roh
geschnittenen Henkel, die in ihrem Ranken werk die Herkunft aus
der antiken Ornamentik nicht verleugnen. Dem klassischen Kultur?
kreise gehört es trotzdem nicht an, sondern dürfte am wahrschein?
lichsten eine orientalische Arbeit der spätesten Antike sein; als byzan?
tinisch, wie man früher angenommen hat, dürfte es schwerlich an?
zusehen sein. Doch liegt das alles noch ganz im Dunkeln.
Eine besondere mystische Weihe erhielt die Schale dadurch, daß
man früher in ihren Flecken den Namen Christi zu lesen vermeinte;
die Versionen des XVII. und XVIII. Jahrhunderts gehen allerdings
stark auseinander. Im aufgeklärten XVIII. Jahrhundert stellte Kollar
schon die Vermutung auf, daß dem Naturspiel durch Ätzung nach?
geholfen worden sei. Die Sache ist heute kaum mehr nachzuweisen.
Diesem Umstände, der namentlich die ältere Zeit stark beschäftigte,
ist es indessen wohl zuzuschreiben, daß die Schale laut der alten Be?
Schreibung der Schatzkammer von 1677 als Taufschüssel der Erz?
herzöge verwendet wurde. Sie wurde auch schon auf Befehl Leo?
polds L in Kupfer gestochen; das Blatt findet sich in Lambecius'
Kommentaren über die Hofbibliothek. Dunkel, wie alles übrige, ist
auch die Herkunft der Schale; sie soll aus dem Burgunderschatze
stammen und durch die Tochter und Erbin Karls des Kühnen, Maria,
1470 an Maximilian I. gelangt sein. Die zuletzt von Arneth geäußerte
Vermutung, daß sie ein Beutestück aus der Eroberung von Kon?
stantinopel 1204 sei, ist jedoch gänzlich haltlos und kaum sicherer als
die erste, gleichfalls von ihm ausgesprochene Vermutung; gewiß i'st nur,
daß sie seit alter Zeit zu den besonderen Kleinodien des Hauses Habs?
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DIE HAUSKLEINODIEN DES HAUSES HABSBURG
Zu ihnen gehört das älteste Stück, das die Schatzkammer überhaupt
besitzen dürfte, die kolossale Schale (Taf. XLIII) aus orientalischem
Achat, angeblich das größte Exemplar seiner Art, dreiviertel Meter
im Durchmesser haltend. Sein einziger Dekor sind die ziemlich roh
geschnittenen Henkel, die in ihrem Ranken werk die Herkunft aus
der antiken Ornamentik nicht verleugnen. Dem klassischen Kultur?
kreise gehört es trotzdem nicht an, sondern dürfte am wahrschein?
lichsten eine orientalische Arbeit der spätesten Antike sein; als byzan?
tinisch, wie man früher angenommen hat, dürfte es schwerlich an?
zusehen sein. Doch liegt das alles noch ganz im Dunkeln.
Eine besondere mystische Weihe erhielt die Schale dadurch, daß
man früher in ihren Flecken den Namen Christi zu lesen vermeinte;
die Versionen des XVII. und XVIII. Jahrhunderts gehen allerdings
stark auseinander. Im aufgeklärten XVIII. Jahrhundert stellte Kollar
schon die Vermutung auf, daß dem Naturspiel durch Ätzung nach?
geholfen worden sei. Die Sache ist heute kaum mehr nachzuweisen.
Diesem Umstände, der namentlich die ältere Zeit stark beschäftigte,
ist es indessen wohl zuzuschreiben, daß die Schale laut der alten Be?
Schreibung der Schatzkammer von 1677 als Taufschüssel der Erz?
herzöge verwendet wurde. Sie wurde auch schon auf Befehl Leo?
polds L in Kupfer gestochen; das Blatt findet sich in Lambecius'
Kommentaren über die Hofbibliothek. Dunkel, wie alles übrige, ist
auch die Herkunft der Schale; sie soll aus dem Burgunderschatze
stammen und durch die Tochter und Erbin Karls des Kühnen, Maria,
1470 an Maximilian I. gelangt sein. Die zuletzt von Arneth geäußerte
Vermutung, daß sie ein Beutestück aus der Eroberung von Kon?
stantinopel 1204 sei, ist jedoch gänzlich haltlos und kaum sicherer als
die erste, gleichfalls von ihm ausgesprochene Vermutung; gewiß i'st nur,
daß sie seit alter Zeit zu den besonderen Kleinodien des Hauses Habs?
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