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Zweites Kapitel

DIE REICHSKLEINODIEN, IHRE INNERE GESCHICHTE

Die Kleinodien des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation
sind der sichtbare Ausdruck der höchsten weltlichen Macht europäischer
Christenheit, die mit und neben dem römischen Papsttum durch ein
volles Jahrtausend gewaltet hat, vom denkwürdigen Weihnachtstage
der Krönung Karls des Großen 800 bis zu ihrem schattenhaften Ver?
schwinden am 26. August 1806. In ihnen leben die Traditionen der
verschiedensten Zeitalter und Kulturen in einem Komplex einziger Art
fort, sowie die ehrwürdige Kaiserkrone das vornehmste und legitimste
Zeichen der Macht ist, das jemals die Stirn eines irdischen Herrschers
geschmückt hat.

Der große Frankenkönig hatte an jenem denkwürdigen Tage die
Erneuerung des alten Kaisertums herbeiführen wollen, dem nach der
theodosianischen Reichsteilung in Westrom noch einige Jahrzehnte
des Siechtums gegönnt waren. Dieser Gedanke hängt mit den merk*
würdigen Renaissancebestrebungen des großen Fürsten, seiner Zeit und
Umgebung enge zusammen; es ist begreiflich, daß sich also zunächst
die Entwicklung römischen Zeremonialwesens in ihm widerspiegelt.

Zu allen Zeiten und an allen Orten ist die Herrscherwürde mit dem
Krieger und Feldherrn verknüpft gewesen, ja aus ihm hervorgegangen,
wie ein berühmt gewordener Vers Voltaires behauptet. Schon der
lateinische Titel des Kaisers, älter als die später aufgekommenen des
Cäsar und Augustus, weist auf seine kriegerische Entstehung zurück,
auf das altrömische Imperium, die Feldherrnwürde. Seit sich über?
haupt von einer offiziellen Tracht des Römerkaisers reden läßt, knüpft
sie an das Amtskleid des republikanischen Imperator * Feldherrn und
an seine magistratischen Ehrenzeichen an. Da ist vor allem der rote
Imperatorenmantel, übrigens erst seit dem III. Jahrhundert n. Chr. ein
stehendes Attribut; die Farbe ist charakteristisch, denn fast zu allen
Zeiten und fast bei allen Völkern ist das kriegerische Rot Zeichen

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