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Schmarsow, August
Beiträge zur Ästhetik der Bildenden Künste (Band 2): Barock und Rokoko: eine kritische Auseinandersetzung über das Malerische in der Architektur — Leipzig, 1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.15253#0021
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Malerischer Standpunkt

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helligt wird, wo die Aufforderung, uns in Berührung
mit den Gränzpunkten des eigenen Leibes, und seien
es die äussersten Fingerspitzen, über die Beschaffen-
heit der Nachbarschaft zu orientieren, wieder zum
Schweigen kommt — erst in solcher, der unmit-
telbaren Gefahr nicht ausgesetzter Entfernung er-
giebt sich Neigung und Gelegenheit, Körper und
Räume anders als nach ihren besonderen Ge-
setzen zu beurteilen, uns nicht allein um ihre
konstitutiven Merkmale zu kümmern, sondern den
Augenschein für sich allein auf uns wirken zu lassen.
In diesem Abstand geht unser bequemes Sehfeld, in
gewisser Höhe über dem Boden, auf dem wir stehen,
und bis zu gewisser Erhebung nur über unsern Scheitel
reichend, zu beträchtlicher Breite auseinander und
scheint in seiner ganzen Ausdehnung eine ebene
Fläche zu bilden. Indem wir selbst aber auf dem
festen Standpunkt verharren, den die Umspannung
dieses Sehfeldes fordert, verzichten wir auf die Kon-
trole der dritten Dimension, die wir durch Orts-
bewegung und .Tastbewegung zu üben gewohnt sind.
Die senkrechte Axe des Schauenden bleibt wie fest-
gewurzelt stehen, der ganze Körper möglichst ruhig,
nur der Sehapparat arbeitet. In ihm wird allerdings
schon durch die Beweglichkeit der beiden Augäpfel,
durch die Anpassungsfähigkeit ihrer Linsen, durch
die Blutzufuhr und Innervation, wie durch begleitende
Muskelempfindungen der Verkehr mit den andern
Regionen unsrer Sinnlichkeit aufrecht erhalten, aber
wir versuchen doch ganz Auge zu sein. Je mehr
dies gelingt, der Augenschein als solcher sich isoliert,
 
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