EINLEITUNG
WENN auch die Leistungen des XV. Jahrhunderts hinter denen des XVI. zurückstehen, so liegen
die Wurzeln der graphischen Künste doch in dem ersteren. Nicht nur alle Gruppen der Form-
schneidekunst: Holzschnitt, Metallschnitt, Teigdrude, sondern auch der Kupferstich sind in ihm ent-
standen,- daneben wurde die Buchdruckerkunst erfunden, Amerika und der Seeweg nach Ostindien
entdeckt. Das XV. Jahrhundert zeigt eine so stetige Entwicklung und Umwälzung der Verhältnisse,
wie wir sie seitdem erst in dem letzten halben Jahrhundert wieder erlebt haben.
Zu Anfang bestanden noch rein mittelalterliche Zustände,- von Dingen, die zur Bequemlichkeit und
Behaglichkeit des Menschen dienen, war kaum eine Spur zu finden. Nur in wenigen größeren Städten
war der Marktplatz gepflastert, die Straßen glichen den dörflichen Feldwegen der Jetztzeit,- bei gutem
Wetter mußte man Wolken von Staub schlucken, zur Regenzeit versank man in den Schmutz. Allen-
falls wurde vor einigen Häusern ein schmaler Damm für Fußgänger aufgeworfen, und bei viel be-
nutzten Straßenübergängen wurden ein paar Bretter gelegt, damit man sie einigermaßen trockenen
Fußes überqueren konnte. Der häusliche Unrat wurde auf die Straße geworfen, auf der sich Schweine
und sonstige Haustiere herumtrieben. Noch schlimmer war es zur Nachtzeit, da es weder Straßen*
beleuchtung noch Wächter gab und der Wanderer den Belästigungen durch Gesindel, Betrunkene und
Hunde ausgesetzt war. Die Häuser waren meist aus Holz gebaut und mit Stroh gedeckt, schon Fach*
werkgebäude zählten als luxuriöse Wohnstätten. Die Zimmer waren niedrig, unverschalte Balken
bildeten die Decke, der Fußboden war mit Steinen belegt und - was das Schlimmste war - Glas*
fenster fehlten. Zumeist wurden die viereckigen Fensteröffnungen bei Einbruch der Dunkelheit durch
eine Holzlade geschlossen, so daß es im Winter in den Häusern unerträglich kalt war. Erst allmäh*
lieh gewöhnte man sich daran, wenn die kühlen Herbsttage hereinbrachen, die Fensterlöcher mit Papier
oder Pergament zu verkleben und die Ritzen in den Wänden mit Moos zu dichten. Selbst in wohl*
habenden Familien beschränkte man sich in der Winterzeit auf einen einzigen, durch einen Kamin zu
heizenden Raum, die sogenannte »Stube«. Das Mobiliar derselben bestand außer dem Bett und der
Ofenbank zumeist nur aus einem Tisch und einer Bank oder Stuhl, wozu sich vielleicht noch ein
Wandbrett und ein roh gezimmertes Betpult gesellten. Für Wissenschaften und Kunst war selbst bei
den Begüterten kaum irgendwelches Interesse vorhanden. — Und doch waren diese Verhältnisse noch
glänzend gegenüber denen der ländlichen Bevölkerung, die ihre jämmerlichen, aus Holz und Lehm
errichteten Hütten und ihre körperliche Nahrung mit ihren Haustieren teilte. Ihr ganzes Hab und
Gut bestand aus der notdürftigsten Kleidung, einigen rohen, selbstgezimmerten Möbeln und ein paar
Töpfen. Nicht einmal unbewaffnet durften sie auf ihr Feld gehen, aus Furcht, von umherstreifenden
Banden entlassener Söldner überfallen zu werden.
Diese primitiven Zustände änderten sich, soweit die Städte in Betracht kommen, im Laufe des Jahr*
VII, i
* 1 *
WENN auch die Leistungen des XV. Jahrhunderts hinter denen des XVI. zurückstehen, so liegen
die Wurzeln der graphischen Künste doch in dem ersteren. Nicht nur alle Gruppen der Form-
schneidekunst: Holzschnitt, Metallschnitt, Teigdrude, sondern auch der Kupferstich sind in ihm ent-
standen,- daneben wurde die Buchdruckerkunst erfunden, Amerika und der Seeweg nach Ostindien
entdeckt. Das XV. Jahrhundert zeigt eine so stetige Entwicklung und Umwälzung der Verhältnisse,
wie wir sie seitdem erst in dem letzten halben Jahrhundert wieder erlebt haben.
Zu Anfang bestanden noch rein mittelalterliche Zustände,- von Dingen, die zur Bequemlichkeit und
Behaglichkeit des Menschen dienen, war kaum eine Spur zu finden. Nur in wenigen größeren Städten
war der Marktplatz gepflastert, die Straßen glichen den dörflichen Feldwegen der Jetztzeit,- bei gutem
Wetter mußte man Wolken von Staub schlucken, zur Regenzeit versank man in den Schmutz. Allen-
falls wurde vor einigen Häusern ein schmaler Damm für Fußgänger aufgeworfen, und bei viel be-
nutzten Straßenübergängen wurden ein paar Bretter gelegt, damit man sie einigermaßen trockenen
Fußes überqueren konnte. Der häusliche Unrat wurde auf die Straße geworfen, auf der sich Schweine
und sonstige Haustiere herumtrieben. Noch schlimmer war es zur Nachtzeit, da es weder Straßen*
beleuchtung noch Wächter gab und der Wanderer den Belästigungen durch Gesindel, Betrunkene und
Hunde ausgesetzt war. Die Häuser waren meist aus Holz gebaut und mit Stroh gedeckt, schon Fach*
werkgebäude zählten als luxuriöse Wohnstätten. Die Zimmer waren niedrig, unverschalte Balken
bildeten die Decke, der Fußboden war mit Steinen belegt und - was das Schlimmste war - Glas*
fenster fehlten. Zumeist wurden die viereckigen Fensteröffnungen bei Einbruch der Dunkelheit durch
eine Holzlade geschlossen, so daß es im Winter in den Häusern unerträglich kalt war. Erst allmäh*
lieh gewöhnte man sich daran, wenn die kühlen Herbsttage hereinbrachen, die Fensterlöcher mit Papier
oder Pergament zu verkleben und die Ritzen in den Wänden mit Moos zu dichten. Selbst in wohl*
habenden Familien beschränkte man sich in der Winterzeit auf einen einzigen, durch einen Kamin zu
heizenden Raum, die sogenannte »Stube«. Das Mobiliar derselben bestand außer dem Bett und der
Ofenbank zumeist nur aus einem Tisch und einer Bank oder Stuhl, wozu sich vielleicht noch ein
Wandbrett und ein roh gezimmertes Betpult gesellten. Für Wissenschaften und Kunst war selbst bei
den Begüterten kaum irgendwelches Interesse vorhanden. — Und doch waren diese Verhältnisse noch
glänzend gegenüber denen der ländlichen Bevölkerung, die ihre jämmerlichen, aus Holz und Lehm
errichteten Hütten und ihre körperliche Nahrung mit ihren Haustieren teilte. Ihr ganzes Hab und
Gut bestand aus der notdürftigsten Kleidung, einigen rohen, selbstgezimmerten Möbeln und ein paar
Töpfen. Nicht einmal unbewaffnet durften sie auf ihr Feld gehen, aus Furcht, von umherstreifenden
Banden entlassener Söldner überfallen zu werden.
Diese primitiven Zustände änderten sich, soweit die Städte in Betracht kommen, im Laufe des Jahr*
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