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UNBEGREIFLICHES GESCHENK
Einzelfall der Guckkastenbühne des Theaters gleichen,
nämlich dann, wenn es sich um ein Flächenspiel oder um
ein Spiel im imaginären Raum, nicht, wie meist, um ein
Spiel im Raum der schauenden Gemeinschaft handelte.
Ein solches Spiel war unvereinbar mit den Kräften und
Mitteln des zeitgenössischen Theaters und vertrug sich
nicht einmal mit seinen Voraussetzungen. Ich begann
daher die ersten Mitarbeiter für das Spielen eines Spiel-
gangs eigens auszubilden, also im rhythmischen Klang-
sprechen, in der Bewegung, im Bau der Masken, im Tra-
gen und Bewegen der Masken. Dies geschah in der von
uns gegründeten STURM-Schule in Berlin. Wir gründeten
die STURM-Bühne. Im Herbst 1918 war das erste Spiel
der STURM-Bühne zur Aufführung gereift. Ich hatte als
Text des Bühnenkunstwerkes das Drama »Sancta Su-
sanna« von August Stramm gewählt. Lavinia Schulz,
wild und leidenschaftlich, nur durch die strenge Zucht
der Kunst gebändigt, spielte die Sancta Susanna. Die
Aufführung fand im Eünstlerhaus zu Berlin statt an
einem der letzten Tage des ersten Weltkriegs, unter
polizeilichem Schutz, den Polizeirat Hennig, einer unse-
rer Freunde, veranlaßt hatte, während Berlin erbebte
unter dem nahen Zusammenbruch des Kaiserreichs und
dem Drohen der Revolution. Am Schluß des Spiels tobte
das Publikum gegeneinander mit frenetischem Beifall
und wütenden Schmähungen. Einer der damals führen-
den Theaterkritiker Berlins schrieb in der Presse, das
Spiel sei »ein mörderisches Attentat auf das Theater« ge-
UNBEGREIFLICHES GESCHENK
Einzelfall der Guckkastenbühne des Theaters gleichen,
nämlich dann, wenn es sich um ein Flächenspiel oder um
ein Spiel im imaginären Raum, nicht, wie meist, um ein
Spiel im Raum der schauenden Gemeinschaft handelte.
Ein solches Spiel war unvereinbar mit den Kräften und
Mitteln des zeitgenössischen Theaters und vertrug sich
nicht einmal mit seinen Voraussetzungen. Ich begann
daher die ersten Mitarbeiter für das Spielen eines Spiel-
gangs eigens auszubilden, also im rhythmischen Klang-
sprechen, in der Bewegung, im Bau der Masken, im Tra-
gen und Bewegen der Masken. Dies geschah in der von
uns gegründeten STURM-Schule in Berlin. Wir gründeten
die STURM-Bühne. Im Herbst 1918 war das erste Spiel
der STURM-Bühne zur Aufführung gereift. Ich hatte als
Text des Bühnenkunstwerkes das Drama »Sancta Su-
sanna« von August Stramm gewählt. Lavinia Schulz,
wild und leidenschaftlich, nur durch die strenge Zucht
der Kunst gebändigt, spielte die Sancta Susanna. Die
Aufführung fand im Eünstlerhaus zu Berlin statt an
einem der letzten Tage des ersten Weltkriegs, unter
polizeilichem Schutz, den Polizeirat Hennig, einer unse-
rer Freunde, veranlaßt hatte, während Berlin erbebte
unter dem nahen Zusammenbruch des Kaiserreichs und
dem Drohen der Revolution. Am Schluß des Spiels tobte
das Publikum gegeneinander mit frenetischem Beifall
und wütenden Schmähungen. Einer der damals führen-
den Theaterkritiker Berlins schrieb in der Presse, das
Spiel sei »ein mörderisches Attentat auf das Theater« ge-