Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DIE IKONE

Einer unserer Lehrlinge kam in mein Atelier. Er war
ziemlich aufgeregt, dieser Witzbold, der so gern alles
ironisierte, ohne daß es ihm jemand übelnahm. Denn es
geschah stets mit listiger Liebenswürdigkeit.
»Erstens«, sagte er, »soll ich Ihnen Grüße von Meister
Eandinsky bestellen mit der Frage, ob er Sie heute nach-
mittag fünf Uhr in Ihrem Atelier besuchen darf. Ich soll
ihm gleich Antwort bringen.«
»Sagen Sie bitte, daß ich ihn gern erwarte!« antwortete
ich.
»Zweitens«, sagte der junge Mann, »muß ich Ihnen
sagen, daß Eandinsky wirklich ein Meister ist. Das ist
meine persönliche Meinung.«
Dies kam so aufgeregt heraus, daß ich zu seiner Be-
schwichtigung freundlich-ironisch antwortete:
»Wie doppelt erfreulich! Erstens, daß Sie einen von uns
für einen wirklichen Meister halten. Zweitens, daß Sie
sogar eine persönliche Meinung haben.«
Er begehrte auf, ein wenig trotzig, aber so offen und mit-
teilsam, wie er stets zu mir war. Er kam mit seinen Nöten
gern zu mir.
»Ja, Herr Schreyer. Das ist erfreulich. Ich muß erzählen,
was geschehen ist. Sie wissen ja, ich habe manche Schwie-
rigkeit mit der ungegenständlichen Malerei. Als dann
Eandinsky berufen wurde und er seine Bilder im Bauhaus
zeigte, war ich so entsetzt, daß ich zu Ihnen kam und Sie
 
Annotationen