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THEODOR DÄUBLER

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kleidete Dame, mit einem Lorgnon bewaffnet, um-
kreiste ihn mehrfach, ihn immer näher fixierend. Es
gab kein Entrinnen. Sie trat entschlossen auf ihn zu und
sprach ihn an: »Entschuldigen Sie, mein Herr. Sind Sie
der berühmte Dichter Hermann Bahr?« Auch Hermann
Bahr war seit vielen Jahren berühmt wegen seines
mächtigen Bartes und Haares. Sichtlich verschüchtert
und doch sehr höflich, dabei listig zwinkernd, lüftete sich
Theodor Däubler ein wenig vom Sitz zu einer vergeblich
eleganten Verbeugung. »Ich bedaure sehr, meine Dame.
Mein Name ist — Brahms!« Auch Brahms war berühmt
wegen seines Bartes und Haares. Begeistert trat die Dame
zwei Schritt zurück, breitete die Arme und rief entzückt:
»Ah! — Brahms Tierleben!«
Ist das nun eine wahre Geschichte? Ich habe sie zuerst
von Rudolf Blümner, dem Sprecher des Expressionismus,
gehört. Er erzählte sie oft und fügte dann stets hinzu:
»So hat es mir Alfred Döblin erzählt. Und er ist dabei
gewesen!«
Eine andere Geschichte habe ich selbst erlebt, und sie
ist eine Erinnerung, die mich immer wieder bewegt.
Damals, in dem Jahr, als Theodor Däublers Schwester
Sekretärin im STURM bei Herwarth Waiden war, kam
Theodor Däubler eines Morgens recht bekümmert
zu uns. Herwarth Waiden, Rudolf Blümner und ich
tranken Bohnenkaffee, den Nell Waiden aus Schwe-
den bekommen hatte, und rauchten billige französische
Zigaretten.
 
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