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REINIGUNG

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und der Wortkunstwerke. Daß von ihrer Sendung so
überzeugte Männer wie Herwarth Waiden und Rudolf
Blümner nicht glimpflich mit den Gegnern des STURM
umgingen, wenn diese nicht nur aus Unverstand gegen
die neue Kunst sich wendeten, sondern die persönliche
Ehrlichkeit der Künstler anzutasten wagten, ist selbstver-
ständlich. Herwarth Waldens Kritiken ähneln einem
Kampf mit dem Florett als Waffe und erledigen den
Gegner spielend. Rudolf Blümners Kritiken sind vorur-
teilslose Wahrheitserforschungen und Urteils Verkün-
digungen.
Die Kritik im STURM diente der Reinigung. Die Reini-
gung wandte sich gegen die Zeiterscheinungen in Kunst
und Dichtung, die nicht mehr dem Geist der Weltwende
entsprachen, sondern Reste des zerfallenden und unter-
gehenden Weltbildes des 19. Jahrhunderts waren. In der
grundsätzlichen Umschichtung des sozialen Lebens, der
Wissenschaften, der Weltanschauungen sind diese Rudi-
mente — »Rudimentär« heißt ein Drama von August
Stramm — sehr zäh. Die Geburt eines neuen Weltbildes
ist nicht ohne Opfer, Blut und Tränen möglich; zwei
furchtbare Weltkriege bezeugen das schon. Die Reini-
gungsarbeit des STURM war dem Krieg und der Revo-
lution benachbart. Reinigung grenzt stets an Vernich-
tung. Aber Reinigung ist zugleich Voraussetzung und
erste Formung des Neuen.
Es ging — wie im Weltkrieg und in der Weltrevolution —
auch im STURM um das neue Menschenbild. »Der neue
 
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