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KURT SCHWITTERS

115

Kann ein solches Spiel mit verachteten Gegenständen
zum Kunstwerk, zum Bilde werden? Die Bilder des
STURM-Künstlers Kurt Schwitters sind solche Kunst-
werke.
Der »Malkasten« des Malers Kurt Schwitters war eine
säuberliche Ordnung von Restbeständen des täglichen
Lebens: eine Sammlung aus dem Lumpensack, aus dem
Mülleimer, weggeworfene und wieder aufgehobene Stra-
ßenbahnfahrkarten, Schnipsel von Buntpapier, Zeitungs-
ausschnitte mit großer und kleiner Schrift und ehemals
bedeutsamem, nun lächerlich sinnlos gewordenem Text,
irgendein Reklamebildchen für Rasiermesser, Büsten-
halter, Film, ein kleines rotes oder grünes Band, ein
verrostetes Zahnrad, ein blinkendes Blech, Hosen-
knöpfe, Streichhölzer, eine Reihe von Nichtigkeiten
aus dem Kehrichthaufen. Solche »gestorbenen Dinge«
setzte Kurt Schwitters zu einem Bild, einem echten
Gebilde rhythmisch-harmonischer Farbformkomposition
zusammen.
Die geheimnisvolle Achtung vor dem Verachteten schuf
ein Kunstwerk. Manchmal leuchtet in ihm ein Fetzen
Seide oder Samt oder ein glänzend aufgemalter Fleck.
»Wer befiehlt uns denn«, sagte Kurt Schwitters mit
nüchterner, bescheidener Stimme, »daß der Rest eines
zerrissenen Puppenkleidchens weniger wert ist als Öl-
farbe, deren Tube 2,50 Mark kostet? Oder gar weniger
wert als eine echte Vergoldung in Reichsgold platt auf-
gelegt? Der alte Andersen wußte das gut: Vergoldung
 
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