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LOTHAR SCHREYER

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den Museen an den tiefe Ehrfurcht bezeugenden, er-
habenen ägyptischen Mumiengehäusen, den hölzernen
und steinernen Sarkophagen, sah die mumifizierten Lei-
chen, die ein grabschänderisches Gewerbe unter dem
Deckmantel der Forschung ans Licht gebracht und zum
Handelsartikel gemacht hatte. Ich bin in entleerte Hü-
nengräber der Frühgermanen hinabgestiegen und ahnte
die Größe eines erhabenen Totenkultes. Eine der tiefsten
Erschütterungen meines Lebens war der Besuch der Kata-
komben Roms. Ich fühlte plötzlich meine eigentliche
Heimat. Und ich erinnere mich heute, nach mehr als drei-
ßig Jahren, noch an den Schmerz, der mich im Abschied
von den Katakomben anrührte. Gewiß kann und soll un-
sere Zeit keinen Totenkult haben im Sinne vergangener
Kulturen. Aber im Zeichen des Kreuzes, das auf unseren
Friedhöfen steht, sollte doch die Würde des Leichnams
geachtet werden, so dachte ich. Und ich dachte: Wie wir
abends unser Kleid ablegen, es nicht in die Ecke werfen,
sondern säuberlich geordnet für den nächsten Morgen
bereitlegen, so müßten wir auch dafür sorgen, daß unser
Körper, wenn ihn die Seele verlassen hat, einen der Seele
und des Körpers und der zukünftigen Wiedervereinigung
von Körper und Seele würdigen Ort bekommt. So, dachte
ich, solle man einen würdigen Sarkophag schallen, nicht
kostbar an Material, daß er für alle Menschen möglich
sein könne, aber edel in der Form und mit dem Ernst des
Lebens und der Freude der Ewigkeit angetan. Und da
man mit sich selber anfangen müsse, baute ich in unserer
 
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