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OSKAR SCHLEMMER

175

»Ich weiß es, Schreyer. Und Gropius hat mir klarge-
macht, daß ich versagt habe.«
»Ich meine nicht, daß Gropius das gelungen ist, noch,
daß er das gewollt hat. Ich habe Ihr schönes Decken-
gemälde gesehen. Das scheint mir ein großer malerischer
Wurf. Ich meine aber, daß Gropius etwas anderes klar-
geworden ist, als er Ihr fertiges Deckengemälde in lena
sah $ nämlich darüber ist er sich klargeworden: er selbst
hat versagt, als er Ihnen den Auftrag gab, den Plafond
auszumalen. Nämlich: in der Baukunst, wie sie Gropius
heute schafft, hat kein malerisches Werk, kein ,Bild'
Platz, sondern nur der Anstrich oder die gegebene Fär-
bung des Materials. Daher läßt er, aus baukünstlerischen
Rücksichten, Ihr Bild wieder ab waschen.«
»Das ist sehr schmerzlich für mich.«
»Nicht nur für Sie, lieber Schlemmer, sondern für uns
alle, die wir malen.«
»Soll denn die Zeit der Malerei zu Ende sein? Beginnt
mit uns eine Zeit der kahlen Wände, wie wir eine Zeit
der nackten Schädel begonnen haben?«
Er tippte sich, verzweifelt lachend, auf seinen kahlrasier-
ten Schädel.
Ich versuchte, in sein Lachen einzustimmen, doch ohne
Verzweiflung.
»Rasiert, ja, Schlemmer. Aber die Haare werden wieder
wachsen. Mit Sicherheit. Aber das braucht seine Zeit.
Auch die Baukunst braucht ihre Zeit, bis auf den Wän-
den wieder Bilder wachsen.«
 
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