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V. DIE PROZESSE VOR UND ZU BEGINN
DES PELOPONNESISCHEN KRIEGES

1. Die Anklagen gegen Anaxagoras, Aspasia und Phidias

Mit dem Dekret des Diopeithes setzen in der Phase vor dem eigentli-
chen Ausbruch des Peloponnesischen Krieges die Asebie-Prozesse ein.
Sie gehören der Uberlieferung nach in das Umfeld des Kriegsausbru-
ches1 und sind von ihrem Charakter her als politische Anklagen zu ver-
stehen.2 Zahlreiche Naturphilosophen und Sophisten sind - allerdings
stützt sich dies auf eine eher obskure Uberlieferung - in dieser Epoche
in Athen angegriffen worden. In der heute allgemein verbreiteten
Ansicht über die »geistige Atmosphäre der Aufklärung« dieser Zeit sol-
len gerade sie das intellektuelle Klima Athens im letzten Drittel des
5. Jahrhunderts so entscheidend geprägt haben, daß ihre Anklage bzw.
Verurteilung wegen Asebie dann nur als Ausbruch einer unkontrollierten
Volksmentalität erscheinen kann.3 Für Dover ist dieser Zusammenhang
Anlaß genug, die Authentizität dieser Prozesse insgesamt zu bezweifeln.

Die Anklagen, die im Zusammenhang mit dem Ausbruch des Pelo-
ponnesjschen Krieges stattfanden, sind relativ gut überliefert. Das gilt
auch für diejenigen im Rahmen der Ereignisse um das Jahr 415 sowie
für den Sokrates-Prozeß. Alle anderen Verfahren stehen dagegen in
eher obskurer Tradition.4 Auch ist die Frage nach ihrer politischen Be-

1 Ausf. Übersicht der Asebie-Prozesse im 5. Jahrhundert: Ostwald (1986)
App. B, 528ff.; Diskussion der bei Plutarch aufgelisteten Prozesse bei Bau-
mann (1990) 37ff. Diese Anklagen mußten seit eben diesem Psephisma nach
dem Verfahren der Eisangelia behandelt werden. Vgl. Schubert (1993) 46ff.;
hierauf beruht die folgende Darstellung der Anaxagoras-Anklage.

2 Dover (1976) 24-54, bes. 28ff.

3 Dodds (1970) 101, 103ff., Sandvoss (1968) 312ff. und Dover (1976) 24-54,
bes. 28ff. zu den Prozessen gegen Anaxagoras, Protagoras, Diagoras, Prodi-
kos, Euripides; vgl. auch M. Winiarczyk, Der erste Atheistenkatalog des Klei-
tomachos, Philologus 20, 1976, 32-46: Seine Untersuchungen lassen die Über-
lieferung hinsichtlich der Prozesse gegen Aischylos und Euripides als äußerst
fragwürdig erscheinen. Ganz anders urteilt darüber Baumann (1990) 45 ff.

4 Zu den Zusammenhängen des Hermen- und Mysterienfrevels: v. Wedel
(1972) 107-88, bes. 143 ff.; dazu Dover (1976) 28ff.
 
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