Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
VI. DIE ENTWICKLUNG DER ATTISCHEN DEMOKRATIE:
THESEN UND FRAGEN

1. Von der Isonomie zur Demokratie

Die kleisthenische Phylenreform wurde und wird als der eigentliche
Beginn der attischen Entwicklung zur Demokratie als einer Volksherr-
schaft hin angesehen.1 Das Verständnis der einzelnen Phasen dieser
Entwicklung sowie ihrer Vorgeschichte kreist im wesentlichen um die
Frage, wie das Verhältnis zu dem älteren Ausdruck Isonomie einzu-
schätzen ist.2 Die Differenzierung dieser beiden Begriffe, die während
der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts nebeneinander benutzt wurden, läßt
die Veränderung des politischen Bewußtseins erkennen, die erst die
Herrschaft des Volkes im eigentlichen Sinn ermöglichte.

Als ein Begriff, der seinerseits wiederum Ergebnis einer ihn prägen-
den Entwicklung ist, weist Isonomie auch auf Vorausgegangenes bzw.
»einen voraufliegenden Prozeß«.3 In diesem Sinn verfolgt Christian
Meier dies für die archaische Zeit in einer >Sozialgeschichte politischen
Denkens<.4 Neben den bekannten Elementen des Prozesses, die zu der
Herausbildung des griechischen »Sonderwegs« zur Demokratie führ-
ten, wie etwa der Funktion des Delphischen Orakels, der Hopliten-
phalanx, der »Virulenz des Gerechtigkeitsglaubens«, weist Meier be-
sonders auf die Konsequenzen hin, die das Fehlen einer starken Zen-
tralgewalt hatte. Erst hierdurch entstand die »breite Machtlagerung«,
die auch eine gesamtgriechische Öffentlichkeit bedingte, entstanden
Handlungsmöglichkeiten, die wiederum zu neuen Erwartungen und
Ansprüchen führten. Zusammen mit der wirtschaftlichen Krise der

1 Herod. 5,78; 6,131,1; Isokr. 15,232; AP 29,3; Bleicken (1985) 28; Meier
(1980) 91 ff., 106 ff. Zu den Einzelheiten der Reform und den verschiedenen
Uberlegungen, welche Tendenz beabsichtigt und welche Zielrichtung verwirk-
licht worden sei: Ostwald (1986) 15ff. (Lit. u. Übers.); dazu auch Martin

' (1974).

2 Zur Isonomie vgl. Vlastos (1953) 337ff.; ders. (1964) lff.; Borecky (1971)

5ff.; Frei (1981) 205ff.; Bleicken (1985) 47f., 327f.; Meier (1970) 7ff.; ders.
(1980) 275 ff., 326ff.; Triebel-Schubert (1984) 40ff.; Lengauer (1987) 53 ff.

3 Meier (1970) 52.

4 Meier (1970) 52 ff.
 
Annotationen